SWR2 Wort zum Tag

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17SEP2021
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Mein Kollege Andreas hat einen der schwierigsten Jobs, die ich kenne: Seit einem Jahr begleitet er Kinder, die bald sterben. Offiziell heißt seine Aufgabe: „palliativer Lebensbegleiter für Kinder und Jugendliche und ihre Familien“. Andreas hat einige Jahre als Krankenpfleger gearbeitet, danach hat er Theologie studiert. Nun ist er Seelsorger in Tübingen und besucht Familien mit schwerkranken Kindern. Er hat sich diese Aufgabe ausgesucht und geht in seiner Arbeit auf. Denn er spürt, wie gut es den Familien tut, wenn jemand vorbeikommt, der Zeit hat und zuhört.

Andreas hat selbst vier Kinder. Seine Kinder sind gesund. Er sagt: „Wenn ich früher nach Hause gekommen bin, habe ich oft tausend Probleme gesehen: Macht endlich die Hausaufgaben, räumt die Spülmaschine aus. Nun erscheint mir mein Leben einfach und leicht. Weil ich jeden Tag auf Familien treffe, in denen der Alltag viel härter ist: Kinder, die bald sterben, müssen intensiv gepflegt werden. Da relativieren sich meine Sorgen.“

Rund 25 Familien begleitet Andreas zusammen mit einem Team aus Ärztinnen und Sozialarbeitern. Kommen sie in eine Wohnung, dann ziehen sie die Schuhe aus. Sie zeigen damit: Wir sind hier nur Gäste, hier beginnt das Leben einer Familie. Die Kinder haben meist schwere Krankheiten, zum Teil von Geburt an. Die Eltern haben ihr ganzes Leben umgekrempelt, um sich um sie kümmern zu können. Doch nicht nur das: Sie müssen zum Beispiel entscheiden, wie viele Operationen sie ihrem Kind zumuten. Was hilft dem Kind? Wie kann es sich noch am Leben freuen, was können wir ihm Gutes tun? Auch Andreas kann da keine perfekten Lösungen präsentieren. Aber er weiß, was anderen Familien geholfen hat. Und er kann den Eltern Mut zusprechen, wenn sie die Kraft verlieren.  

Andreas beschönigt nichts, wenn er mit den Eltern oder Kindern spricht. Der Tod steht vor der Tür. Die Kinder brauchen oft Schmerzmittel, um den Tag zu überstehen. Trotzdem bedeutet es ihm viel, dass er so arbeiten kann. Andreas kann die Kinder segnen, wenn sie es wünschen. Er kann ihnen zeigen: Auch ihr seid von Gott geliebt. Indem er für sie betet oder mit ihnen zuhause einen Gottesdienst feiert.   Er sagt: „Ich lerne hier viel: Was es heißt, voller Respekt für den anderen da zu sein. Ich lerne etwas über die fast grenzenlose Liebe in den Familien. Diese Liebe zeigt sich besonders in den Momenten, in denen sich das Leben und der Tod so nah kommen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33925
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