SWR2 Wort zum Tag

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16SEP2021
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Heute steht in Israel alles still: niemand ist auf der Straße unterwegs, kein Baulärm, alle Straßencafés sind dicht. Nicht einmal Radio und Fernsehen senden ein Programm. Und das nicht etwa wegen Corona, sondern wegen des höchsten Feiertags der Juden: Jom Kippur. Er steht dafür, dass sich die Menschen untereinander und mit Gott versöhnen.

Die Frage, wie sich die Menschen mit Gott versöhnen können, ist in der jüdischen wie in der christlichen Tradition sehr wichtig. Dabei geht es immer auch darum, wie wir Menschen einander vergeben können. An Jom Kippur  zeigt sich: Versöhnung gibt es nicht zum Nulltarif. Es ist ein Tag an dem die Menschen fasten und Ruhe halten, sich auf sich selbst besinnen.

Auch mir als Christ ist klar: Ich kann mich nicht mit Gott versöhnen, wenn ich ständig mit meinen Mitmenschen streite. Doch wie kann das gelingen? Ein guter Bekannter von mir geht zum Beispiel jeden Sonntag in die Kirche und lebt friedlich in einem schönen Schwarzwalddorf.  Ich war richtig geschockt, als er mir eines Tages erzählt hat, dass er mit seiner Schwester seit 20 Jahren kein Wort gewechselt hat. Ein alter Streit, der einfach kein Ende nimmt. Weil keiner auf den anderen zugeht.

Ein Tag wie Jom Kippur könnte in solchen Situationen helfen. Von diesem Feiertag lerne ich, dass Versöhnung nicht allein geht. Ein ganzes Volk will sich versöhnen. Alle schauen auf ihren Anteil und bitten um Versöhnung. Und diese Versöhnung findet nicht irgendwann statt, sondern es braucht einen Termin. Einen Tag, der sich nicht weiter aufschieben lässt. Heute geht es für alle um Versöhnung. Punkt.

Wenn ich mit jemandem über Kreuz liege, geht es mir selbst nicht gut. Ständig kreisen meine Gedanken darum, wer Recht hat und warum der andere sich entschuldigen müsste. Da bin ich richtig erleichtert, wenn wir es schaffen, uns zu versöhnen. Ich kann endlich wieder frei atmen und schaue nach vorne. Es ist ein Grund zu feiern, wenn es mir gelingt, reinen Tisch zu machen. Danach kann der Tisch festlich gedeckt werden. So wie an Jom Kippur: Nach diesem Fastentag wird eine Woche lang gefeiert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33924
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