SWR4 Abendgedanken

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13SEP2021
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Zerzaust die Haare. Die Straße voller Blätter. Ein Rauschen in der Luft.

Im Herbst, wenn der Wind weht, lassen Kinder gerne ihre Drachen steigen.

Wenn er allerdings zum Sturm wird, und dabei seine ganze Kraft und Gewalt zeigt, kann er Angst und Schrecken auslösen.

Zwiespältig ist es, das Wehen des Windes zu erfahren. Und manchmal unheimlich. Kein Wunder also: Wenn wir dem Wind ausgeliefert sind, spüren wir, dass wir das Leben nicht in der Hand haben. Es ist ein Gefühl „schlechthinniger Abhängigkeit“; so hat es der Theologe Friedrich Schleiermacher ausgedrückt. Für ihn das Wesen von Religion.

Dass Gott selbst sich im Wind zeigen kann, hat in vielen Religionen Ausdruck gefunden. Auch in der Bibel. Im Anfang der Schöpfung ist „Tohuwabohu“. Und „Braus Gottes“ über den Wassern. So hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber versucht, den hebräischen Charakter der Bibel in die deutsche Sprache zu fassen. Was ist das für ein „Braus Gottes“, der die Erde und den Himmel, das Land und das Wasser werden lässt? Der den Menschen ein lebendiges und atmendes Wesen sein lässt? Es ist Gottes guter Geist. Er bewirkt das neu Werden und er ist kreativ tätig. Immer wieder wird er als Brausen des Windes dargestellt.

Auch Jesus nimmt das Bild vom brausenden Wind auf, als in der Nacht ein Mann zu ihm kommt und ihm Fragen stellt. Dieser Mann hatte ein Gespür dafür, dass Jesus eine tiefe Verbindung mit Gott hat. Und er möchte mehr darüber erfahren. Was hat es auf sich mit diesem besonderen Lehrer? Wie kann er so viele Menschen begeistern? Und Jesus spricht vom Wind: „Der Wind

weht, wo er will, du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht.“ (Joh 3,8) So ist es, sagt Jesus, wenn ein Mensch von neuem geboren wird, auch wenn er längst erwachsen ist. Die Spuren solchen Neu-Werdens sind zu spüren, auch wenn sie nicht zu sehen sind.

Wo der Wind hindurchfährt, da wird etwas neu. Der Braus Gottes ruft nicht nur am Anfang ins Leben. Heute könnte es ein Anfang sein, die Sehnsucht nach diesem Wind zu spüren. So wie die Dichterin Hilde Domin es vielleicht verstanden hat:

„Wer es könnte

die Welt hochwerfen

dass der Wind

hindurchfährt."

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