SWR3 Gedanken

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23SEP2021
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Was für Farben! Tiefblau rollt die Welle auf mich zu, weiß bricht sie sich an der Spitze. Im Hintergrund leuchtet ockergelb der Himmel hinter schweren Wolken. Den Farbdruck „Hohe Sturzwellen“ habe ich schon seit vielen Jahren bei mir Zuhause hängen. Gemalt hat das Bild Emil Nolde. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Heute hängt das Original in Norddeutschland, in Seebüll.

Inzwischen weiß man: Nolde hat nach dem Krieg nur vorgegeben gegen Hitlers Politik eingestellt gewesen zu sein. In seinen Aufzeichnungen finden sich viele antijüdische und rassistische Passagen. Und immer wieder biederte er sich den Nazigrößen an. Er wollte unbedingt ihre Anerkennung. Erst vor zwei Jahren kam dies an die Öffentlichkeit. Prompt wurde Nolde-Kunst aus dem öffentlichen Raum verbannt. Nolde ist nicht mehr politically correct.

Heute ist der Todestag eines anderen Künstlers. Der begabte Holzschnitzer Veit Stoß ist 1533 gestorben. Schon zu Lebzeiten war Stoß eine äußerst schwierige Person. Jede Menge Streit, Rechtsverfahren, ja sogar Betrug und Gefängnis verbinden sich mit seinem Namen. Die Zuschreibungen als „irriger und geschreiiger“ Mann sind noch die harmlosesten. Aber Aufträge hat Stoß bis zu seinem Lebensende bekommen. Weil er ein echt guter Künstler war.
Und weil die Leute damals unterschieden haben: Zwischen der Person und ihrer Gabe.

Das finde ich richtig und wichtig. Was ein Mensch mit seinem Handeln anrichtet, muss er verantworten. Was ein Mensch mit seinem Talent an Gutem oder Schönen schafft, soll bestehen bleiben. Für mich drückt sich darin aus, dass Gott diesem Menschen Gutes für andere mitgegeben hat.

Und ich finde, das gilt auch für den Maler Emil Nolde: Heute weiß ich Bescheid über seine Einstellung. Ich verurteile sie. Seine Gabe als Maler anerkenne ich dennoch als Gottes Gabe. Und deswegen bleibt bei mir die Sturzwelle hängen.

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