Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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17SEP2021
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„Das heißt nicht Tokomade. Das heißt Schlottelade!“ Unser jüngster Sohn sprach noch nicht lange, aber immerhin konnte er zum Ausdruck bringen, dass er zum Frühstück Schokocreme auf dem Brot haben wollte. Sein Bruder, sprachlich offensichtlich auch noch entwicklungsfähig, versuchte ihm den richtigen Begriff dafür beizubringen. „Das heißt nicht Tokomade. Das heißt Schlottelade!“ – Die lustige Begebenheit hat sich uns ins Gedächtnis eingeprägt. Aber für mich ist sie zugleich mehr, als eine nette Anekdote. Sie erinnert mich an Jesu Worte von den blinden Blindenführern (Mt 15,14). Da will jemand anderen den Weg zeigen und in Wahrheit hat er oder sie selbst keinen Durchblick. Was bei den Kindern noch witzig ist, wird in der Welt der Erwachsenen zu einer echten Bedrohung. Die Katastrophen der letzten Monate – Corona, das Hochwasser und der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan – haben vielfach das Gefühl der Verunsicherung hinterlassen. Wer hat eigentlich noch Durchblick? Wer kann die Fülle immer neuer Probleme überhaupt noch bewältigen? Werden wir längst von blinden Blindenführern regiert? Ich stecke da mittendrin. Was mache ich damit?

Einstimmen in den Chor der Ankläger und Unzufriedenen? Ein paar polemische Kommentare öffentlich posten? Aber kann das richtig sein? Ich habe zwar eine Meinung zu diesem und jenem.  Aber den großen Durchblick und die klare Lösung habe ich nicht. Und mir fallen durchaus große und kleine Ereignisse aus meinem Leben ein, mit denen ich total überfordert war, oder in denen ich mit meiner Sicht voll daneben lag. Das macht mich demütig und zurückhaltend, wenn es um Schuldzuweisungen geht.

Nein, ich möchte mich nicht in den Chor der Ankläger und Unzufriedenen einreihen. Viel lieber will ich für die Verantwortlichen beten. – Was soll das denn bringen, kann man einwenden. Vermutlich nicht die Stimme vom Himmel, die den Ausweg erklärt. Aber ich hole Gott damit ins Boot und bekenne vor ihm, wie sehr ich mit dem Rücken zur Wand stehe und von wem ich letztlich Hilfe erwarte. Und mehr noch. Ich vertraue die Verantwortungsträger und damit auch meine Sorgen dem Einflussbereich Gottes an. Oder wie die Bibel das nennt, ich bitte ihn um seinen Segen. Mit welchen Worten man das macht, ist übrigens völlig belanglos. Bei Gott wird es schon ankommen. So wie ich meine Kinder verstanden haben, als sie von Tokomade und Schlottelade sprachen.

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