Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16SEP2021
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Vor einiger Zeit habe ich mir einen Jahreswagen gekauft. Noch ziemlich neu und wenig gefahren. Er war ordentlich ausgestattet, aber auf einiges musste ich auch verzichten. Er zeigte mir zum Beispiel an, wenn ich zu dicht auffuhr, aber er konnte den Abstand nicht automatisch für mich regeln. Schade, aber so ist das nun einmal, wenn man ein gebrauchtes Auto kauft. Dachte ich. Aber dann entdeckte ich, dass die sogenannte Automatische Distanzregelung sehr wohl eingebaut war. Ich musste sie nur noch freischalten lassen. Ist das nicht verrückt? Da wünscht man sich so eine Funktion für sein Auto und ahnt gar nicht, dass sie sich so leicht aktivieren ließe. 

Ich kenne den Wunsch nach Hilfe und Unterstützung aus vielen Bereichen in meinem Leben. Durchaus auch beim Abstandhalten. Welche Themen lasse ich wie nah an mich herankommen? Und wo bleibe ich lieber auf Distanz? Wie schnell und wie intensiv jage ich durchs Leben? Wo stresse ich mich in unnötiger Weise, obwohl ich gar keine Chance habe voranzukommen. Wo gehe ich unnötige Risiken ein? Aber auch: Wann ist es dran, Gas zu geben, die Chance der freien Strecke zu nutzen, anstatt zu zögern? Etwa wenn ich erwäge, den Job zu wechseln, obwohl das nicht ohne Risiko ist. Wenn ich auf der Suche nach einem Partner oder einer Partnerin bin und die Ampel auf Grün steht. Oder doch nicht? Oder auch: Wenn mir das ideale Appartement im Seniorenzentrum angeboten wird und sich gleichzeitig alles in mir dagegen sträubt. 

Es gibt da etwas, das mir viele Jahre meines Lebens nicht vertraut war, obwohl es bereits in mir angelegt war. Nämlich die Möglichkeit, in solche Fragen Gott mit einzubeziehen. Nein das läuft nicht so technisch ab wie bei der Automatischen Distanzregelung. Gott nimmt mir die Entscheidungen auch nicht aus der Hand. Aber er lässt mich spüren, wenn eine Situation meine besondere Aufmerksamkeit erfordert. Wenn ich – im Bild gesprochen – zu dicht auffahre. Wenn ich zu eilig und zu getrieben unterwegs bin. Manchmal signalisiert er mir so deutlich, dass ich es nicht überhören kann: Du musst nicht alles haben, überall dabei sein und schon gar nicht dein Fähnchen nach jedem Wind drehen. Und manchmal bremst er mich tatsächlich auch völlig aus. Und das ist gut so. In den Psalmen heißt es einmal (Ps 86,11): „Herr, zeige mir den richtigen Weg, damit ich in Treue zu dir mein Leben führe!“ – Ich mag diesen Bibelvers und bete an jedem Morgen so oder so ähnlich. Und ich bin froh, dass ich dieses Potenzial meines Lebens entdeckt und aktiviert habe.

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