SWR3 Gedanken

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31AUG2021
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Vor zwei Jahren durfte ich Esther Bejarano für ein Interview treffen. Sie hatte das KZ Auschwitz überlebt. Vor sechs Wochen starb die Zeitzeugin im Alter von 96 Jahren.

Ich erinnere mich an unsere Begegnung bei ihr zu Hause. Sie saß in ihrem orange-farbenen Sessel. Obwohl sie weit über 90 Jahre alt war, hatte sie jedes Detail von Auschwitz vor ihren Augen, die beim Erzählen immer wieder mit Tränen kämpfen mussten, als wäre es gestern gewesen. Von der Hinfahrt in einem Viehwaggon bis zur Nummer, die auf ihre Haut tätowiert wurde und fortan den Namen Esther ersetzte. Esther Bejarano überlebte nur deshalb, weil sie im Mädchenorchester von Auschwitz Akkordeon spielte. Vielmehr: Sie wurde gezwungen zu spielen, während Menschen aus Zügen ausstiegen und kurz danach in den Gaskammern ermordet wurden. Die SS hielt dabei ihre Gewehre auf die musizierenden Mädchen.

Was Esther Bejarano mir damals erzählte, war unvorstellbar grausam. Aber das Engagement und die Kraft dieser beeindruckenden Zeitzeugin mischten in  das Schwere ihrer Erinnerungen auch Hoffnung: Denn Esther Bejarano hat den Glauben an die Menschlichkeit trotz dieser menschenverachtenden Erfahrungen nie verloren. Und sie war hellwach gegenüber den Fragen unserer Gegenwart: Wie gehen wir mit verfolgten Menschen um? Wer verharmlost die Geschichte? Wer verbreitet heute rechtsextreme, antisemitische, rassistische Gedanken? Einer ihrer letzten Sätze in unserem Gespräch lautete: „deswegen müssen wir dagegen angehen, damit die Demokratie bleibt [...]“** Gerade mal 1,47 Meter war Esther Bejarano groß – aber für die Erinnerungsarbeit in Deutschland, den Kampf gegen Rechtsextremismus und für mich persönlich war diese Zeitzeugin eine der ganz Großen!

Quellen: * https://www.auschwitz-komitee.de/esther-bejarano-holocaust-ueberlebende-zum-76-gedenktag-des-holocaust/# , Ausdruck vom 11.07.2021, 10:56 Uhr.

** https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=28026

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33828
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