SWR3 Gedanken

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30AUG2021
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Ich habe zwei Jahre dort gelebt. Im wunderschönen Ahrtal. Damals,  auf meiner ersten Stelle im Beruf. Wenn ich das dann jemandem erzählt habe, hieß es immer: „Du arbeitest da, wo andere Urlaub machen“. Und tatsächlich: ich habe dort inmitten einer atemberaubend schönen Landschaft mit Weinbergen und Fachwerkhäusern gelebt. Vor allem aber: inmitten von ganz tollen Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Und von denen ich zwei Dinge lernen konnte: Geselligkeit und Gelassenheit.

An der Ahr spricht man einen Dialekt mit fast schon kölschem Einschlag und so hat auch das „kölsche Grundgesetz“ mit seinen lebensfrohen Paragraphen in der Mentalität der Menschen ein Zuhause: Zum Beispiel der „Grundgesetzartikel“ „Drinks de ene met?“ Er  steht für die vielen geselligen Feste, an die ich mich gerne  erinnere. Oder das durch und durch gelassene „Et kütt wie et kütt.“ Soll heißen: Hab keine Angst vor dem was kommt.

Aber genau diese Angst haben jetzt viele Menschen an der Ahr: denn seit der verheerenden Flut vor sieben Wochen wurde aus der einstigen Urlaubsregion ein Katastrophengebiet. Und nachdem der erste Schlamm und Müll entsorgt sind, zeigt sich: Die Aufbauarbeiten werden Jahre dauern. Was hilft nun? Vor allem ein langer Atem. Der dafür sorgt, dass die Menschen an der Ahr nicht vergessen werden - von Politik, Medien, der ganzen Gesellschaft. Dass sie mit jedem Handwerker und jeder Helferin, die weiterhin kommen, neue Hoffnung schöpfen. Mit jeder Spende, Mut zum Wiederaufbau spüren. Mit jedem Ohr, das zuhört,  den Schlamm von der Seele spülen können. Mit jeder Kerze  für einen Verstorbenen, Trost erfahren. Und dann glaube ich, kann das Ahrtal irgendwann wieder dieser wunderbare Ort werden, an dem Menschen gesellig und gelassen miteinander leben. Und an dem sie schon heute und auch weiterhin das Wichtigste erfahren: Solidarität. Denn kein Einzelkämpfer kann hier was ausrichten. Aber gemeinsam, das haben die vergangenen sieben Wochen gezeigt, geht ganz viel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33827
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