Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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04SEP2021
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Ich war im Kloster. Nicht lange. Nur eine Woche. Ein Gast auf Zeit. Zum Schweigen und Beten.
Das Schweigen war schwierig. Innere Ruhe kommt nicht auf Kommando. Zu viel geistert einem dann auf einmal durch den Kopf. Alle bösen Geister, die ich sonst in den Keller gesperrt und mir vom Leib gehalten hatte, stiegen jetzt bedrohlich lärmend in mir auf und machten sich breit in meiner Seelennot. Sich selber zu treffen, das kann sehr betroffen machen. Da sind mir die festen Gebetszeiten am Tag wie Oasen in der Wüste vorgekommen. Ich habe regelrecht auf die Glocke gewartet, die vom Frühgebet bis zur Komplet am späten Abend alle zusammengerufen hat.

Die Liturgie war mir wie ein Geländer, der Gesang der Schwestern bot meiner Seele Raum und Geborgenheit. Und ich war schwer beeindruckt jedes Mal, wenn die ganze Kommunität da in die Kapelle ein und wieder ausgezogen ist, immer zu zweit nebeneinander her. Ein starkes Bild für gelebte Gemeinschaft. Irritiert war ich jedoch jeden Abend aufs Neue, wenn nach dem letzten Gebet, sich die Gemeinschaft total aufgelöst hat. Das Licht ging aus, die Kerzen erloschen und alle liefen kreuz und quer auseinander. Ganz anders als den ganzen Tag über ging jetzt Jede für sich alleine raus. Am Ende der Schweigewoche fragte ich nach, warum sie denn jeden Abend das schöne Zweierlei auflösen. Und da sagten sie mir, das sei doch wie im wirklichen Leben. Am Ende müssten wir doch alleine durch die Nacht. So gesehen würden sie jeden Tag symbolisch den ganzen Kreislauf des Lebens begehen. Sie erklärten mir, dass wir einander ein Leben lang begleiten und nahe sein können. Am Ende des Tages aber, wenn das Licht ausgeht, dann bricht jeder Mensch zu seiner ganz eigenen Reise auf. Und da sei es aber doch ein Glück, dass wir auch dann nicht ganz alleine wären.

Eine Schwester meinte: Wer an Gott glaubt, ist doch nie allein. Mit Gott in meiner Nähe, bin ich immer zu zweit.

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