SWR1 Begegnungen

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12SEP2021
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Wolf-Dieter Steinmann trifft Sarah Banhardt. Theologin und Historikerin. Sie forscht über den langen Weg zur Gleichstellung für Pfarrerinnen und was heute noch fehlt.

Pfarrerinnen - gleichgestellt erst seit 50 Jahren

„Spannend, das Thema ihrer Doktorarbeit“, hab ich anfangs gedacht. Was sie mir dann erzählt hat, hat mich auch beschämt. Männer haben es den Frauen schwer gemacht, Pfarrerin zu werden. Sarah Banhardt, selbst junge Theologin und Historikerin, forscht über die ersten Theologinnen in Baden.

Im Archiv bin ich dann auf Doris Faulhaber gestoßen. Da habe ich gedacht: ‚das ist ne spannende Frau, die hat ein spannendes Leben gehabt. Und es gibt gar nicht so viel darüber, wie man erzählen könnte.‘

Gut, dass Sarah Banhardt von Doris Faulhaber erzählt. Ich habe diese vor 40 Jahren selber kennengelernt. Damals war sie 75. Den Traum, den sie schon als junge 20 Frau hatte, hatte man ihr nicht ermöglicht.

‚Du wirst schon sehen, wenn ich fertig bin, läuft das, also ich kann bestimmt Pfarrerin werden.‘ Und ich glaube, dass sie wirklich als junge Frau das gedacht hat. Und letzten Endes muss man sagen: Als die Gleichstellung kam, war sie schon im Ruhestand.

Man glaubt es kaum: Erst vor gut 100 Jahren durfte die erste Frau Examen in Theologie machen. Spannend finde ich: Zuerst haben Einzelne was bewegt, indem sie Grenzen verschoben haben. Zum Ziel, der Gleichstellung von Pfarrerinnen, wurde es ein langer Hürdenlauf, erzählt Sarah Banhardt. Mit Rückschlägen, z.B. nach 1945.

Die Männer waren im Krieg und die Frauen haben häufig nicht nur eine Pfarrstelle versehen, sondern gleich mehrere. Und nach dem Krieg war einfach Schluss. Und ich glaube, das war für die Frauen ein herber Rückschlag und ne große Verletzung, dass man jahrelang geackert und geschuftet hat und die Hoffnung hatte, jetzt haben sie endlich ihrer Kirche bewiesen, dass sie diese Aufgabe erfüllen können und dann war einfach zack, vorbei.

Doris Faulhaber und ihre Kolleginnen blieben beharrlich. Ein starkes Argument, dass Männer und Frauen gleich sind, haben sie in der Bibel gefunden.

‚Da ist nicht Mann noch Frau.‘ Für die evangelischen Theologinnen schon ein starkes Argument. Zu sagen. „Schaut doch mal, ihr argumentiert immer mit biblischen Texten: ‚wir sind dem Mann untertan.‘ Aber da steht auch, ‚weil Christus für uns am Kreuz gestorben ist, ist das egal.‘“

Was hat noch geholfen, durchzuhalten? Sarah Banhardt hat beim Forschen zweierlei gefunden: Die Theologinnen damals sind aus ihrer Vereinzelung heraus und sie waren überzeugt von ihrer Berufung:

Wir glauben, dass für unsere Kirche das wichtig und richtig ist, wenn Frauen Pfarrerinnen werden und deswegen setzen wir uns als Gruppe dafür ein.

Manches erinnert mich an katholische Frauen heute in ihrer Kirche. Darum habe ich gefragt: Kann es diesen heute was mitgeben, was evangelische Frauen erfahren haben?

Beharrlichkeit und auch dass man die Hoffnung nicht aufgeben muss. In so einer ein Stück weit aussichtslosen Situation, weiter dafür zu kämpfen. So ein bisschen die Hoffnung, auch in der katholischen Kirche kann Veränderung kommen.

1971 war es dann so weit: Eine Schülerin von Doris Faulhaber, Hilde Bitz, wurde als erste Pfarrerin gewählt, in einer Mannheimer Gemeinde. Und die beiden Frauen haben 40 Jahre gemeinsam gelebt.

Sie waren irgendwie ne Lebensgemeinschaft. Auf einem Weg unterwegs mit einem gemeinsamen Ziel durchaus: Nämlich das gleichgestellte Pfarramt für Frauen. Und sie waren auch eine Arbeitsgemeinschaft. Aber eben kein Paar.

50 Jahre sind Pfarrerin und Pfarrer gleichgestellt. Aber da ist noch Luft nach oben, findet Sarah Banhardt.

Nach 50 Jahren – Luft nach oben

Sarah Banhardt ist Theologin und Historikerin. Durch ihre Doktorarbeit ist sie Frauen nahegekommen, die vor 100 Jahren nicht mehr akzeptieren wollten, dass Frauen in der Kirche Menschen zweiter Klasse sein sollten. Was empfindet sie für Theologinnen wie Doris Faulhaber, Elsbeth Oberbeck oder Hilde Bitz?

Viel Dankbarkeit, sehr viel Respekt vor dieser Überzeugung, vor diesem Durchhaltevermögen, vor diesem Mut, der eigenen Berufung auch gegen alle äußeren Widerstände zu folgen.

Erst seit 50 Jahre sind Pfarrerin und Pfarrer in evangelischen Kirchen gleichgestellt. Noch nicht in allen, schon gar nicht weltweit. Sie ist sicher: Frauen haben das Pfarreramt verändert, auch für Männer.

Wie kann ich Pfarrerin sein und habe Kinder und wie kann ich da ne gute Balance finden?‘ Und dann tatsächlich auch die Frage für die Kirchen: ‚Wie ist das mit einer teilzeitarbeitenden Pfarrerin?‘ Und ich glaube, da haben Frauen schon noch mal – auch für die Männer, die heute Eltern werden – viel erreicht. Nämlich, dass es auch in Ordnung ist, wenn ich als Mann einige Zeit nicht arbeite, weil ich Kinder habe.

Alles gut? Nein. Junge Pfarrerinnen hören manchmal: ‚Der Herr Pfarrer hat es früher aber anders gemacht.‘ Müssen sich also an Vorgängern messen lassen und werden nicht als sie selbst geschätzt. Oder fühlen sich taxiert und kritisiert, wenn sie im Talar als Frau sichtbar werden.

Wenn Männer mich als Mädchen bezeichnen. Wenn nach dem Gottesdienst kommentiert wird, was für Ohrringe ich getragen hab. Oder wenn ich darauf hingewiesen werde, dass der Lippenstift doch abgelenkt hätte oder dass ich andere Schuhe anziehen müsste.“

Wenn Frauen immer noch grundsätzliche Ablehnung erleben, das geht Sarah Banhardt an die Nieren. Mir auch.

Und was ich wirklich schlimm finde, dass es noch viele gibt, die wirklich Anfeindungen erleben, dass sie Briefe bekommen, wo ihnen Bibelstellen aufgelistet werden, in denen ja steht, dass sie gar nicht Pfarrerin sein können.

Überraschend findet sie, dass jüngere Pfarrerinnen öfter äußern, dass sie kritisiert werden. Mehr als Pfarrerinnen der ersten Generationen. Vielleicht weil Frauen damals Pfarrerin anders waren als heute?

Ich glaube auch, dass Frauen sich da mehr auch in das Amt hineingelebt haben und heute Frauen bewusster auch sagen: ‚Ich bin in diesem Amt auch Frau.‘

Trotzdem findet sie die Bilanz für Frauen in der evangelischen Landeskirche in Baden ganz gut. Und bei den anderen im Südwesten ist es ähnlich. Bis hinein in die mittlere Führungsebene.

Ein bisschen über 40% der Pfarrstellen werden von Frauen besetzt und auch tatsächlich mehr als 40% der Dekanate werden von Frauen geleitet. Das finde ich, ist schon ganz gut. Ich finde schon schade, dass in Leitungspositionen, je höher die Position ist, desto weniger Frauen werden es. Es gibt schon noch ein bisschen Luft nach oben.

Was muss besser werden? Auf jeden Fall die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dann hat sie noch 2 Forderungen und eine besondere Hoffnung für die badische Landeskirche 2021.

Die Sexismuserfahrungen, die Frauen machen, müssen aufhören. Dass Kirche auch Frauen den Rücken stärkt. Und sagt: Wir stehen wirklich unverbrüchlich hinter der Frauenordination. Und wenn dann eine Landesbischöfin gewählt würde, 50 Jahre nach der Amtseinführung von Hilde Bitz, wäre das ein schönes Ergebnis.

Ausführlich hören können Sie das Gespräch zwischen Sarah Banhardt und Wolf-Dieter Steinmann als Podcast auf Spotify:
https://open.spotify.com/episode/2TqqIASsOYujE2RU1Pyqu2?si=79BUmI0tTiiisL8vIs_yWA

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33800
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