SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

24MRZ2008
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Ostern ist schwer zu fassen, Weihnachten einfacher, finde ich. Weihnachten hat man die Krippe, Ochs und Esel, den Stern, Maria und Josef, Hirten und die Engel auf dem Felde. Das ist zwar alles andere als die alltägliche Realität - wer kennt schon Geburten, die ähnliche Umstände aufweisen, wer kommt heute noch in einem Stall zur Welt und bekommt gleich Besuch vom örtlichen Schäfer? - dennoch fällt der Zugang zu Weihnachten leichter. Vielleicht, weil bei jeder Geburt etwas so Wunderbares geschieht, dass noch die meisten Beteiligten dabei eine Ahnung einer heiligen, wunderbaren, fast außerirdischen Wirklichkeit gewinnen. Entsprechend sind auch Geburtsanzeigen formuliert. Von Sternen, Wundern und Engeln ist da ganz häufig die Rede. Aber Ostern... Ziemlich irdisch entpuppen sich die Versuche, Ostern erlebnisnah zu interpretieren: Jedes Jahr ein neuer Frühling, so etwa. Oder: Aus toten Eierschalen springt ein lebendiges Entenküken, was angeblich einen römischen Kaiser zum Nachdenken gebracht hat. Mich überzeugt es weniger. „Jeder war mal traurig, wie tot, und hat dann wieder zum Lachen gefunden“ - ist das wirklich Auferstehung?... Oder: Vom Eise befreit sind Strom und Bäche. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden. Soweit gern zitiert der Altmeister Goethe im Faust. Sprachlich natürlich phantastisch, doch was soll das heißen „sie sind selber auferstanden“. Eher sind wir sonntäglichen Spaziergänger doch vom bürgerlichen Kaffeetisch aufgestanden.
Ostern ist und bleibt schwierig. Muss es auch sein, denn die Auferstehung Jesu sprengt menschliche Vorstellungskräfte. Jeder Versuch, Parallelen in der Natur oder im Innenleben der Menschen zu finden, muss scheitern, weil so Gottes umstürzende Wirklichkeit in die kleine Münze von Alltagserfahrungen umgewechselt wird. Das tröstet nicht im Tod, das bleibt kraftlos. Die Kraft von Ostern erschließt sich nicht im jährlichen Frühlingserwachen, sonst blieben die Friedhöfe dieser Welt trostlose Orte, sonst müssten wir verstummen, verzagen an Sterbebetten, verzweifeln an den kleinen und großen Katastrophen dieser Welt.
Als Notfallseelsorgerin musste ich in diesem Jahr einem Schüler die Nachricht übermitteln, dass sein Vater tödlich verunglückt ist. Ich kann das nur, weil ich daran glauben darf, dass der Jesus, den sie ans Kreuz genagelt haben, nicht in seinem Felsengrab geblieben ist. Ich kann das nur, weil sich der Schrecken des Todes, der sich in den Augen des Jungen spiegelte, dass der nicht die letzte Wahrheit ist. Wahrheit ist für mich der lebendige Jesus Christus. Erklären kann ich das nicht, nur erzählen, etwa so, wie die Bibel es mir erzählt. Dass aus der Trauer der Frauen Freude wurde, sich die Angst der Jünger in Jubel verwandelte, als der Auferstandene zu ihnen kam, dass zwei Männer, die auf dem Weg nach Emmaus waren, dass denen plötzlich das Herz brannte, als der Auferstandene mit ihnen das Brot brach. Was sie erfahren haben, überzeugt andere, bis heute.
Ostern kann nicht erklärt werden, es kann nur erzählt werden. Es ist eine Erzählung ohne klassisches Happy End. Der tote Vater erscheint nicht aus dem Off, der junge Schüler muss ihn begraben. Das ist - zunächst einmal - einfach nur traurig. Doch, wenn es gut geht, hört er am Grab Worte der Hoffnung, österliche Worte. Dass seinem Vater eine neue Wirklichkeit gilt, dass das, was Jesus Christus geschehen ist, erst der Anfang ist. Der Anfang eines lebendigen Stroms, der die ganze Welt erfassen wird. Ein Strom der Lebendigkeit, weil Christus jeden aus dem Schlund des Todes reißt. Ich lebe, sagt Jesus Christus, und ihr sollt auch leben.
Ihnen allen ein Frohes Osterfest!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3377
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