SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

22AUG2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ob jemand an Gott glaubt oder nicht - das spielt im Alltag so gut wie keine Rolle mehr. Jeder kann glauben, was er will. Oder auch nichts. Trotzdem taucht das Wort „Gott“ immer wieder auf. Was unter anderem damit zu tun hat, wie wir mit den Dingen umgehen, die wir nicht auf Anhieb logisch erklären können. Wenn die eigene Mannschaft unglücklich verloren hat, wird der „Fußballgott“ bemüht, der es schlecht mit ihr gemeint habe.

So kann man denken und reden, aber mit dem Gott, wie die Bibel ihn uns vorstellt, hat das nichts zu tun. Trotzdem taucht genau dieses Phänomen auch in der Bibel auf, an etlichen Stellen sogar. Weil es schon immer so war, dass Menschen nicht wussten, wohin mit dem, was sie sich nicht erklären konnten. Das haben sie dann Göttern zugeschrieben oder aufgelastet - je nachdem. Dann gab es einen Gott, der dafür zuständig war, dass auf den Feldern genug Korn wächst, und einen der fürs Glück beim Jagen verantwortlich war. Einen für die Liebe und einen für den Tod. Damit sie etwas hatten, um sich dran festzuhalten, um mit den Augen anzubeten, haben die Ägypter und Griechen Götterbilder errichtet, aus Stein oder Bronze. Die wurden verehrt, denen wurde geopfert. Mit mäßigem Erfolg. Denn am Ende blieb alles, wie es war. Ein Auf und Ab des Schicksals, ein beständiger Wandel, und der einzelne Mensch mittendrin, ohne dass er recht wusste, was ihm Halt und Orientierung geben könnte.

Könnte man Gott also auch ganz anders denken? Viel größer? Und damit nicht zuständig dafür, was der Mensch nicht kapiert oder hinkriegt, sondern als eine Macht, die über allem steht, ja, die alles in allem ist? Um einen Glauben, der das versucht, hat das Volk Israel jahrhundertelang gerungen. Bis sie schließlich den gefunden hatten, den sie bis heute JHWH nennen. Recht schnell merken sie, dass es sich nicht mit ihm verträgt, seinen Namen auszusprechen. Weil schon das ihn als ihren Gott in Gefahr bringen würde. Der Gott, an den sie fortan glauben, ist nicht nach Menschenart gemacht. Er braucht keinen Eigennamen. Es ist umgekehrt. Die Israeliten sagen: Wir sind nach seiner Art, sein Bild, ihm ähnlich. Er bleibt der Ewige, der unantastbar und nah ist. Beides zugleich. Wie das verstehen, wie dann von ihm angemessen sprechen? Das Ringen um den rechten Weg dabei durchzieht die Bibel. Und bei denen, die an den einen einzigen Gott glauben, ist es bis heute nicht an ein Ende gekommen.

Niemand muss an Gott glauben. Aber wenn es ein Mensch tut, dann möglichst so, dass Gott Gott ist und bleibt. Darüber spreche ich heute in den SWR4-Sonntagsgedanken.

Die Bibel erzählt davon, wie es Menschen immer wieder gelungen ist, den Glauben an einen einzigen Gott am Leben zu halten. Da konnte noch so viel passieren. Jakobs Leben war in Gefahr. Moses wurde mit dem ganzen Volk in die Fremde verschleppt. Ijob hat alles verloren, was er besaß. Jona wurde ausgelacht wegen der Aufträge, die er von Gott empfangen hatte. Sie alle haben Gott die Treue gehalten. Natürlich hatten sie Fragen und waren oft verzweifelt. Aber ganz am Ende ihrer Gedanken sind sie immer wieder bei ihm gelandet. JHWH, von dem sie sagen, dass er die Erde und den Himmel gemacht hat, und dass er es niemals zulassen würde, sie ins Bodenlose, ins Nichts fallen zu lassen. Das gilt auch für die schwer vom Hochwasser getroffenen Menschen an der Ahr und andernorts. Sie werden das so im Moment kaum denken, geschweige denn sagen können. Gleichzeitig hoffe ich, dass sie diese Hoffnung nicht aufgeben.

Ich bin davon überzeugt: Es macht einen Unterschied, ob jemand an Gott glaubt oder nicht. An Gott, dem man nicht seinen eigenen Willen aufzwingt, damit er das macht, was man selbst will. Sondern dem man zugesteht, dass er die Geschicke der Welt so lenkt, dass es gut ist. Auch dann, wenn wir das nicht auf Anhieb verstehen. Die großen Wegmarken in meinem bisherigen Leben habe ich immer erst im Nachhinein begriffen. Wenn es schwierig war, hätte ich es gerne anders gehabt. Heute ahne ich, dass es so hat sein müssen. Mein Leben ist - so wie es ist - Teil von Gottes Plan. Ich bin dabei nicht so wichtig. Ich gebe nicht den Ausschlag. Ich glaube daran, dass Gott mit mir etwas anzufangen weiß, auch wenn ich das über weite Strecken gar nicht merke. Mich an dieser Erkenntnis abzuarbeiten, das tut mir gut. Das macht mich nämlich einigermaßen demütig. Und ich spüre immer deutlicher, dass wir das in unserer Welt brauchen. Wir müssen als Menschen unsere Grenzen kennen. Als ganze Menschheit, was unseren Planeten Erde angeht. Wir behandeln ihn, als gehöre er uns, und das ist falsch. Auch als Einzelne. Je mehr wir denken, alles müsse nach unserem Willen gehen, desto mehr werden wir für andere zum Problem. Davor bewahrt der Glaube an einen Gott, der nicht das tut, was wir erwarten. Und auf den ich mich trotzdem mehr verlassen kann als auf jede Sicherheit, die Menschen geben können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33742
weiterlesen...