SWR3 Gedanken

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Es war einmal ein Mann, der hatte Angst vor seinem Schatten. Deswegen wollte er ihm davonlaufen. Doch so schnell er auch lief, sein Schatten klebte an seinen Fersen. Deswegen lief der Mann immer schneller und immer schneller. Und am Ende fiel er schließlich vor Erschöpfung tot um. So erzählt eine Geschichte aus China.

Es war einmal ein Mann. Es war einmal eine Frau. So erzählt unser Leben. Die wollten ihren Schatten loswerden. Weil Menschen ab und zu gerne ihre Schatten loswerden würden. Aber jeder einzelne macht die Erfahrung. So schnell ich auch laufe, am Ende lande ich immer bei mir selbst. Mit meinem Schatten.

Und ein Leben ohne Schatten gibt es nun einmal nicht. Manche haben das Gefühl, ganz und gar im Schatten zu stehen. Weil das Leben ihnen gar nichts gönnt, was licht und hell ist. Manche schleppen ihre Schatten hinter sich her wie einen lästigen Ballast. Ein Mißgriff, eine Fehlentscheidung, eine Schuld, ein Versagen. Irgend etwas, das lange Schatten wirft über das Leben und es dunkel macht.

Dann möchte man rennen und rennen und rennen. Wenn man all das nur los werden würde. Wenn man sich irgendwo und irgendwann wiederfände im strahlenden Licht einer Sonne, die keine Schatten wirft. Aber die gibt es nicht. Wo Licht ist, ist auch Schatten, sagt ein Sprichwort. Und das ist ein wahres Wort. Was also tun?

Die chinesische Geschichte hat eine Schlußpointe. Da heißt es: Wäre der Mann nicht davongelaufen, sondern in den Schatten eines Baumes getreten, hätte der seinen Schatten aufgenommen und aufgehoben. Chinesische Weisheit. Die mich an eine biblische Weisheit erinnert: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“ Siehe da. Auch ein wahres Wort.

Bei Gott bin ich willkommen mit Licht und Schatten. Er weiß um meine Schattenseiten und liebt mich dennoch. Und in seinem Schatten finden auch meine Schatten ihren Platz. So dass ich ausruhen und Kraft schöpfen kann. Und schließlich weitergehen kann. Ganz normal durchs Leben. Durch Licht und Dunkel. Mit meinem Schatten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3374
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