Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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23AUG2021
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Mein Enkel hat mich verblüfft. Unsere Schwiegertochter fragt den Dreijährigen: Was wünschst Du Dir denn zum Geburtstag? Er denkt kurz nach und antwortet: Einen Bagger, einen Kipplaster, eine Legoplatte – das reicht. Da könnte sich der Kleine einen ganzen Spielwarenladen zusammenwünschen – aber nein: Ein Bagger, ein Kipplaster, eine Legoplatte. Das reicht.

Diese zwei Worte haben etwas in mir zum Klingen gebracht, gerade jetzt, kurz vor der Bundestagswahl. Wie jede Werbung neigt auch die Wahlwerbung zur Übertreibung. Die Parteien und Politiker versprechen meist mehr als sie halten können und versprechen vieles auf einmal. Bessere soziale Absicherung, höhere Renten, niedrigere Steuern, mehr Wohnungen, besserer Klimaschutz. Und so weiter. Kosten spielen scheinbar keine Rolle. Solche Übertreibungen sind für uns Wählerinnen und Wähler ebenso durchschaubar wie ärgerlich.
In der Politik geht es doch nicht um ein Wunschkonzert, es geht um Gerechtigkeit und Solidarität.

Und da helfen mir die Worte „das reicht“, um mit Wahlversprechen umzugehen. Was brauche ich, was brauchen andere, was brauchen alle, damit ich sagen kann: Es reicht, das ist gerecht. Und zugleich habe ich auch klar, was nicht reicht, was zu wenig ist, so dass ich nicht sagen kann: Das ist gerecht. Ich will keine fragwürdigen Versprechen der Politik, ich will mir nicht wie ein Dreijähriger den ganzen politischen Spielwarenladen versprechen lassen. Ich will, dass es für alle reicht, dass es gerecht zugeht. Das kann auch bedeuten, dass es für mich künftig weniger gibt als bisher, damit es auch für andere reicht. Das ist keine falsche Bescheidenheit, das ist Gerechtigkeit. Und darum geht es in der Politik.

Natürlich ist es bisweilen schön, mehr zu haben als das, was reicht. Das wissen auch die Parteien und machen es sich zunutze. Aber zu wissen, was reicht, für mich und andere, und wie es sein muss, damit es für alle reicht, das kann vielleicht ein Kompass durch den Dschungel der Wahlwerbung sein.

Schon ein Dreijähriger kann sagen „Das reicht“. Da sollten auch wir Wählerinnen und Wähler nicht auf das Versprechen hereinfallen, uns stünde der ganze politische Spielwarenladen offen.

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