SWR2 Wort zum Tag

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19AUG2021
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Am Bodensee in Bregenz wird in diesem Jahr die Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi aufgeführt. Im Mittelpunkt steht eben Rigoletto. Der italienische Name bedeutet übersetzt: „Spaßmacherlein“. Und das ist Rigoletto in der Tat. Er ist Hofnarr beim Herzog von Mantua. Ein Hofnarr aus der Klischeekiste: Er ist kleinwüchsig, bösartig, macht sich über die Hofgesellschaft lustig – und zugleich vergöttert er seine wunderschöne Tochter Gilda.

In einem wilden und manchmal schwer zu durchschauenden Verwirrspiel geht es in Rigoletto um diesen Narren und seine Tochter, um Verführung und Entführung, um Spott und Rache, um Liebe und Tod. Am Ende fällt Gilda, Rigolettos Tochter, einer Intrige zum Opfer. Und der zu Tode betrübte Narr bleibt allein zurück.

Rigoletto wurde vor 170 Jahren geschrieben. Das erklärt sich auch, wie klischeehaft die Titelfigur erscheint. Kleinwüchsig und bösartig, verspottend und alles Lächerliche machend – um dann am Schluss der größte Narr von allen zu sein.

Doch bis heute funktionieren solche Klischees. Aber sie funktionieren nur, weil es eine Vorstellung davon gibt, was normal ist. Und so existieren in unserer Gesellschaft immer noch Klischees, wie eine normale Partnerschaft aussieht, eine normale Biographie, ein normales Leben. Oder auch, was eine normale Körpergröße sein soll. Wenn dann Erwachsene nur so groß wie Kinder sind, dann gelten sie den meisten als klein.

Doch Normalität ist immer relativ. Wer heute durch die niedrigen Türen einer mittelalterlichen Burg geht, kann feststellen: damals waren die meisten Menschen deutlich kleiner als heute, war eine andere Körpergröße normal. Normal ist relativ. Und hat schon gar nichts damit zu tun, wie einer tickt und sich verhält.

Deswegen sehe ich Rigoletto heute als Chiffre einer Zeit. Einer Zeit, die zeigt, wie unmenschlich und sogar tödlich Klischees sein können. Wie falsch es ist, wenn Menschen auf Normalitäten reduziert werden. Das Stück ermahnt mich, nicht einfach auf pure Klischees hereinzufallen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33719
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