SWR2 Wort zum Tag

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10AUG2021
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Ich hatte in letzter Zeit mit Sorgen zu kämpfen. Ich habe Freunden davon erzählt und die waren auch sofort zu Stelle, und zwar mit vielen guten Ratschlägen: Ich müsse mein Problem anders anpacken, dann würde es sich schon lösen. Oder: ich müsste die Sache von einer anderen Seite aus betrachten, meine Lage hätte ja auch Vorteile.

Meine Freunde wollten mir helfen - eigentlich schön. Trotzdem habe ich mich in dem Moment total allein gelassen gefühlt. Alle hatten sie sich auf meine Probleme gestürzt. Aber - was war mit mir? Mit meinem inneren Zustand, meinem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit? Mir war einfach die Kraft ausgegangen für Problemlösungen. Und Problemlösungen prasselten jetzt auf mich ein, jede Menge: „Tu dies, mach das. Alles kein Problem….“ Ich bekam lauter gute Vorschläge. Alles richtig. Und trotzdem ist alles an mir vorbei gerauscht. Ich hätte so gerne von meinen Freunden gehört: „Ich verstehe Dich.“ oder „Du Arme, du tust mir leid“. Ich glaube, ich hätte einfach etwas Mitleid gebraucht.

Mitleid hat heutzutage eher einen schlechten Ruf. Und es kann tatsächlich völlig unangemessen sein. Wer z.B. nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt, der braucht sicher keine mitleidigen Blicke. Was er braucht sind Menschen an seiner Seite, die ihn verstehen. Die sich mit freuen, wenn die Heilung Fortschritte macht. Und die den Frust und die Verzweiflung mit aushalten, wenn alles zu viel wird.

In der Bibel heißt es einmal: Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Hier geht es um tiefste Verbundenheit. Lasst euch gegenseitig nicht allein mit euren Gefühlen: freut euch mit und leidet mit.

Als ich keine Kraft mehr hatte um nach Lösungen zu suchen, da hätte ich gerne solches Mitleid bekommen. Es wäre schön gewesen zu hören: Ich verstehe Dich. Ich sehe, in welcher Lage du steckst und dass du keine Kraft mehr hast - du bist nicht allein. Da ist jemand, der leidet mit. Und morgen schon lachen wir vielleicht wieder miteinander. Und dann kommt vielleicht auch die Kraft zurück, die ich brauche, um meine Probleme anzupacken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33706
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