SWR4 Abendgedanken

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02AUG2021
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Wenn ich als Christ auf den Menschen schaue - was ist da entscheidend? Mit den Schülern, die sich aufs Abitur vorbereiten, bespreche ich diese Frage ausführlich. Ein besonders wichtiger Hinweis dazu findet sich gleich am Beginn der Bibel, im Buch Genesis. Dort heißt es: Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn[1].  Das bedeutet: Der Mensch hat im Ganzen der Welt eine besondere Stellung. Wenn ich darüber mit den Schülern spreche, dann nehme ich sie als Beispiel: Simon, Verena, in Dir, in jedem von Euch steckt etwas von Gott, von dessen Größe und Erhabenheit. Anders ist das nicht zu verstehen, als dass Du als Mensch Gott ähnlich bist, am ähnlichsten von allem, was es auf der Erde gibt. In Euch, in mir auch, in jedem, der mir begegnet, steckt etwas von Gott. Deshalb begegne ich ihm auch mit Respekt, bin vorsichtig, damit ich nichts zerstöre von einem dieser Ebenbilder Gottes. Wenn die Bibel den Menschen so charakterisiert, dann ist das Gabe und Aufgabe in einem. Dass jeder Mensch einmalig ist, das macht ihn kostbar und gibt ihm eine große Würde.

So weit, so gut. Nur: Grau ist alle Theorie. Nun hatte ich aber das Glück, die Schülerinnen und Schüler, die in diesem Jahr ihr Abitur gemacht haben, vier Jahre lang in Religion zu unterrichten. In dieser Zeit ist viel passiert. Aus pubertierenden Jungs und Mädchen sind junge Frauen und Männer geworden. Es war schön und von heutiger Warte aus ist es ergreifend, wie sich jede und jeder von ihnen entwickelt hat. Das Bild, das an Gott erinnert, es war von Anfang an da. Aber jetzt kann man es sehen. Ich freue mich darüber, wie reif sie geworden sind. Und ich erkenne darin etwas von der Würde, die jeden besonders macht. Nicht nur, wo sie schön und mutig sind und frei. Auch dort, wo sie verletzlich sind, wo sie sich Sorgen machen um ihre Zukunft, wo sie mehr Fragen haben als sie Antworten finden. Das gehört alles zu einem reifen Menschen. Und gerade dass sie sich dem stellen, das verbindet sie mit Gott.

Die jungen Leute haben jetzt ihr Abitur. Alle haben bestanden. Was aber wichtiger ist: Sie sind bereit für den Schritt hinaus in die Welt, zu neuen Ufern und Aufgaben. Das bedeutet aber auch: Ich muss mich von ihnen verabschieden. Ich tue das, mit Freude im Herzen, aber auch in der Hoffnung, dass sie das bei mir gelernt haben: In jedem ein Ebenbild Gottes zu erkennen.

 

[1] Genesis 1,27

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33681
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