Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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05AUG2021
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Seid ihr noch einig oder habt ihr schon geteilt? Ein Sprichwort, bei dem es ums Erben geht. Ein böses Sprichwort, denn es geht davon aus, dass der Krach vorprogrammiert ist, wenn mehrere etwas zusammen erben. Schließlich will doch jeder alles für sich und gönnt den anderen nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln.

Dass es auch ganz anders gehen könnte, zeigt jedes Jahr die Unesco, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen. Denn jedes Jahr erklärt sie neue Orte, Gebäude, Landschaften zum Welterbe.

Das ist ein begehrter Titel und Rheinland-Pfalz ist da ganz gut im Geschäft. Die Kurstadt Bad Ems gehört jetzt neu dazu. Und auch das jüdische Erbe in Speyer, Worms und Mainz wurde in der letzten Woche aufgenommen. Das hat für mich auch ganz viel mit der Gegenwart zu tun und ist auch ein politisches Zeichen: In unserer Mitte gibt es jüdische Orte und Traditionen, die nach weltweiten Standards bewahrenswert sind. Und die nur die ganze Gesellschaft zusammen bewahren kann. Für einen allein oder wenige ist das oft eine Nummer zu groß. Gerade, dass im Idealfall alle Menschen sich als Erben verstehen, ist der beste Schutz für das Erbe. Je mehr Menschen das Erbe teilen, desto besser! Es wäre schön blöd, wenn man so ein Erbe ausschlagen würde. Denn es ist eine starke Erbengemeinschaft, die da ihr vielfältiges und weltumspannendes Erbe antritt. Das Welterbe fördert die Weltoffenheit: Städte denken über ihren Kirchturm hinaus und haben einen gemeinsamen Antrag gestellt. Menschen aus aller Herren Länder sind willkommen, wenn sie sich ihr Erbe anschauen. Es ist so, wie es sich schon der Philosoph Immanuel Kant vorgestellt hat: alle Menschen besitzen die Erde gemeinschaftlich.

In Mainz hat man direkt nach der Anerkennung als Welterbe ein großes Transparent an den Zaun des alten jüdischen Friedhofs angebracht. Und da steht jetzt nicht „Herzlichen Glückwunsch“, „Gratulation“ oder „Alles Gute“. Sondern da steht: „Mazel tov!“ So, wie sich Jüdinnen und Juden in aller Welt gratulieren und gute Wünsche ausdrücken.

Seid ihr noch einig oder habt ihr schon geteilt? Andersherum wird ein Schuh draus: Je mehr wir miteinander teilen, desto einiger werden wir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33648
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