SWR3 Gedanken

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12AUG2021
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"Mein Akku ist gleich leer", ein Anruf an einem Donnerstag, frühmorgens um halb zwei. "Mein Bett, plötzlich ist es geschwommen, ich bin hoch in den ersten Stock gerannt..." Die Stimme meines Mannes heiser, ich bin hellwach. Er arbeitet in Bad Neuenahr. Später schickt er noch eine Nachricht, ein dunkles Foto, eine Kerze. "Kein Strom, sitze mit den Nachbarn, hören nur Wasserrauschen." Mir rauscht es im Ohr. Noch heute, vier Wochen danach. An Schlaf nicht zu denken damals. Ab drei Uhr früh höre und lese ich nichts mehr von ihm.

Dafür sehe ich Nachrichten. Wasserfluten fressen Straßen, spülen Häuser weg, Orte versinken im Schlamm. Menschen: verletzt, vermisst, viele gestorben. Auch Feuerwehrleute. Mein Herz wird eng mit jeder weiteren Stunde. Dabei habe ich noch Glück, mit dem Lebenszeichen des Liebsten.

„Meine Mutter im Seniorenheim, weiß jemand was? Meine kleine Tochter ist verschwunden“, ich klicke mich durch die Netzwerke. Menschen trösten und helfen einander, sofort und schnell. „Braucht jemand Konserven, Kleidung, eine Babytrage, einen Rollator?“

Eine Hilfewelle, die mich berührt und tröstet. Über den Katastrophentourismus hinweg, die Arien der Klimawandel-Leugner, die Prominenz im Wahlkampfmodus… All das zählt weniger als diese Hilfsbereiten. Die teilen, was uns zu Menschen macht. Menschlichkeit, Mitleid, Nächstenliebe. Dann – endlich – nach 14 bangen Stunden der Anruf. „Mir geht’s gut, bin wieder erreichbar.“ Selten habe ich Gott so laut gedankt. Und all denen, die füreinander da waren – und noch sind. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33630
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