SWR3 Gedanken

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09AUG2021
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Ich hab´ es getan. Das erste Mal. Ich habe eine Freundin umarmt und gleich noch ihren Freund dazu. Ohne Abstand - seit gefühlten Ewigkeiten. Wir sind alle „durchgeimpft“. Ein unschönes Wort, aber was für ein schönes Gefühl: aufeinander zugehen, ohne zurückzuweichen. Einander in den Arm nehmen, das Herz klopfen hören, die Hand festhalten.

Es war ein Moment, als würden wir neu geboren, berührt wie am ersten Tag. Wie auf Michelangelos berühmten Gemälde in der sixtinischen Kapelle in Rom. Gottvater, wie man ihn sich damals vorstellt, mit Rauschebart, streckt seinen Finger nach Adam aus, dem ersten Menschen, den er ins Leben ruft. Mit einer leichten, innigen Berührung. Und das, ohne die Hand zu desinfizieren. Gott und Adam mit Hygienespray: Diese Collage ging in den ersten Coronamonaten durchs Netz.

Inzwischen erleben wir den Sommer der ersten Male. Das erste Mal Umarmen, das erste Mal Urlaub. Das erste Mal im Restaurant. Das ist schon eine Weile her, aber ich weiß es noch: Im Schlossgarten Schwetzingen. Mein Mann und ich schlendern frisch getestet durch das Grün und genießen ein Stück Erdbeerkuchen. Nicht to go sondern mit einem Kellner to come. Ein Gefühl, als wär´s der erste Schöpfungstag.

In den Hochwassergebieten – dieser erstmaligen Katastrophe hierzulande – da sah und sieht das gute Leben ganz anders aus. Das erste Mal wieder Strom zum Kochen, eine Wohnung ohne Schlamm, ein Tag ohne Sorgen ums Überleben. Aber auch Tage voller Menschen, die einander umarmen und zur Hand gehen. Gott sei Dank. Was für ein Sommer. Kein Bilderbuchsommer, aber einer voller Bilder, die berühren.

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