Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Jesus hat die Pest. Dicke, schwarze Pestbeulen verunstalten seinen Körper. So hängt er am Kreuz. Eine erbarmungswürdige Gestalt. Der Künstler Matthias Grünewald hat ihn so gemalt. Vor fast 500 Jahren auf einem Tafelbild des Isenheimer Altars.
Jesus war natürlich nicht pestkrank. Dass wussten schon die Leute zu Grünwalds Zeiten. Aber warum malte ihm dann der Künstler die Pest auf den Leib? Der Isenheimer Altar entstand für das dortige Antoniterkloster. Das war nichts anderes als ein Krankenhaus. Hier versorgten die Mönche auch Pestkranke. Grünewald macht mit seinem Bild deutlich: Dieser Jesus ist einer von euch. Er ist wie ihr. Er ist für euch da. Der pestkranke Jesus am Kreuz macht Unsichtbares sichtbar. Er macht sichtbar, dass Gott mit den Menschen ist, mit ihnen leidet, ihnen zur Seite stehen will.
Jesus ist auferweckt worden. Das ist ein genauso merkwürdiger Satz wie: Jesus hat die Pest. Aber auch er will Unsichtbares sichtbar machen.
Jesus ist auferweckt worden. Dieser Satz erzählt erst einmal nichts über das leere Grab. Und schon gar nichts darüber, dass Jesus wie durch ein Wunder wieder lebendig wurde. Jesus ist auferweckt worden, das ist ein Satz, der vor allem etwas über Gott erzählt – und die Menschen. Denn nach Jesu Tod sind seine Freunde am Boden. Verkriechen sich, wollen ihre Zelte abbrechen und in ihre Dörfer zurückgehen. Es scheint alles aus. Die Jesus-Bewegung ist am Ende. Aber da machen die Jünger eine entscheidende Erfahrung. Sie erfahren, dass sich dieser Jesus bei ihnen sehen lässt. Sie erfahren, dass dieser Jesus auch nach seinem Tod für Menschen etwas bedeuten kann. Plötzlich haben die Jünger den Durchblick: Die Geschichte Jesu geht weiter. Genau das heißt Auferweckung: Der Tod behält nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat das Leben. Ostern heißt: Dieser Jesus lässt Menschen, lässt die Welt aufleben. Auch noch nach seinem Tod. Für mich ist das Kern der Auferstehungsgeschichten: Dass Menschen wieder Mut und Kraft schöpfen, dass sie wieder einen Anfang sehen – auch wenn sie krank sind, auch wenn sie Pest haben – und auch – nach dem Tod.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3362
weiterlesen...