SWR2 Wort zum Tag

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13AUG2021
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In einer großen Tageszeitung stoße ich auf ein ungewöhnliches Interview. Mit Otto. Ja, Otto, der Komiker! Er erzählt, wie gute Unterhaltung funktioniert und was die Kunst der Komik ausmacht. Dann, ganz überraschend, kommt die Sprache auf das Thema Religion.

„Ihre Mutter war sehr religiös“, sagt der Interviewer, „mussten Sie jeden Sonntag in die Kirche?“ „Ich war Weltmeister im Bibelaufschlagen an der richtigen Stelle“, sagt Otto. „Können Sie noch etwas rezitieren?“, kommt die Frage.

Otto, wie aus der Pistole geschossen: „Wohl dem der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, da die Spötter sitzen. Luther-Bibel, Psalm eins, Vers eins.“ 

Ich bin einigermaßen überrascht. Mir fallen Ottos Persiflagen kirchlicher Würdenträger und ihrer Reden ein. Ganz schön respektlos zuweilen.

Ich schlage die Bibel auf und lese, wie die zitierte Bibelstelle weitergeht: „Sondern hat Lust am Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.“

Lust haben. Seine Freude haben. Am Gesetz, oder besser: an der Weisung Gottes. Daran, dass mir Gott eine Spur durchs Leben weist, die sich nicht im Nirgendwo verläuft. Sondern zu einem guten Ziel führt.

Ein starker Text, den Otto sich da ausgesucht hat. Es geht in dem Vers ja um verschiedene Möglichkeiten, wie man durchs Leben kommt. Einen Weg, auf dem das gelingen kann. Und einen anderen, der in Sackgassen führt.

Das zu entscheiden hängt von vielem ab. Und, finde ich, ist im Alltag ganz schön kompliziert. Es ist eine Frage, die ich immer wieder neu beantworten muss. Wo geht’s lang für mich? Bin ich eher ein Baum oder ein Fähnlein im Wind? Und: habe ich den nötigen Abstand, um auch mal über mich selbst zu lachen?

In der Kultur- und Religionsgeschichte gibt es die Figur des heiligen Narren. Der heilige Narr entlarvt, wenn Religion zur leeren Attitüde wird. Er macht sich lustig über Worthülsen und frommes Gebaren. Und lacht über alles, was sich größer macht, als es ist.

Dafür braucht es Abstand zu mir selbst. Das Gottvertrauen, dass Dinge und Menschen sich ändern können. Und hinter der Attitüde ein Mensch sichtbar wird. So wie er wirklich ist. Vielleicht hat er das gemeint, der Otto: „Wer Lust hat an der Weisung Gottes, ist wie ein Baum, der Frucht bringt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33615
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