SWR2 Wort zum Tag

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30JUL2021
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Wenn man wie ich zur Generation der Großeltern gehört, muss man sich auch fragen: Was hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln? Ich glaube, nicht nur Gutes. Wir vererben vieles. Auch die Klimakrise. Manchmal schäme ich mich dafür:
Z. B. wenn ich Kinder auf dem Spielplatz sehe. Sie spielen so frei und ahnen nichts von dem Rucksack, den wir ihnen schon aufgehängt haben. Eigentlich ist das eine große Ungerechtigkeit.

Und wenn ein Enkel fragt: „Wo bist Du gewesen, Opa, dass die Welt so werden konnte wie sie ist? Was kann ich sagen? Dabei bin ich gewesen. Mal zuschauend, mal profitierend, manchmal habe ich auch gewarnt. Aber im Ganzen muss ich zugeben: Ich bin Teil dieser Ungerechtigkeit, ich war nicht laut genug für Euer Recht als Kinder und Enkel.

Nicht so laut und wirksam wie die Frau in einem Gleichnis, das Jesus erzählt hat. Ich war oft auch bequem und habe mich zurückgelehnt wie der Mann in Jesus Story.

Erstaunlich, dass Jesus in seiner so durch und durch männlichen Welt eine Frau zum Vorbild setzt. Sie ist Witwe, kämpferisch, laut, vehement für ihr Recht und das ihrer Kinder. Und genau das, dass sie so viel Power hat, das macht sie zum Vorbild. Nur so schafft sie es, Gerechtigkeit zu erringen für ihre Kinder und sich.

Ihr Gegenpol ist ein Mann, ein Richter. Eigentlich dazu da, dass es gerecht zugeht. Die Bibel charakterisiert ihn stattdessen so: „Er hatte keine Achtung vor Gott und nahm auf keinen Menschen Rücksicht.“ Also auch nicht auf die Rechte einer Frau oder deren Kinder. Gerechtigkeit und Recht; sich dafür anzustrengen, nein. Ihn interessiert, dass er oben ist, und die Privilegien, die das bringt.
Aber die Frau lässt ihn nicht. Immer wieder wird sie vorstellig. Ausdauernd und immer eindringlicher kämpft sie. Bis er sich bequemt. „Am Ende verpasst sie mir sonst noch einen Schlag.“ Eine solche Beschämung würde ihn öffentlich unmöglich machen. Also hilft er ihr zu ihrem Recht. (Lukas 18,1ff)

Dieses Gleichnis geht mir nah: Ich weiß schon lange, wir leben ungerecht. Belastend für die Jungen. Aber ich war nie so eindringlich wie die Frau. Sie? Aber vielleicht können wir aus unserer Scham lernen und es besser machen. Keine bequemen Großeltern sein, sondern die Dickfelligkeit der Macht eindringlich bestürmen.

Noch etwas: Jesus hat diese Frau auch zum Vorbild dafür gesetzt, wie ich als Christ beten soll. Eindringlich Gott zu Hilfe rufen, dass er eintritt für seine Schöpfung. Dass alle Kinder und Enkel leben können. Unsere, die in Afrika, und die von Tieren und Pflanzen.

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