SWR2 Wort zum Tag

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21JUL2021
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„Das war aber nicht nötig“. Fast automatisch bekomme ich diese Antwort, wenn ich bei einer Einladung Blumen mitbringe. Welch treffende Redewendung, und hintersinnig zudem.  Geschenke sind nicht nötig, man kann sie nicht einfordern oder erzwingen. Jedenfalls wenn es wirklich Geschenke sind, und nicht abgearbeitete Wunschlisten.  Wo das Anspruchsdenken dominiert, ist es mit wirklichen Geschenken nicht weit her. Wer kennte nicht das armselige Verrechnen und Vergleichen zu Weihnachten oder bei der Erstkommunion.   Wie du mir so ich dir. In der jüdischen Frömmigkeit gibt es sogar den Rat, man solle jedes Geschenk zweimal machen. Denn beim ersten Mal sei doch noch zu viel Berechnung und Egoismus dabei. Nein, wahre Geschenke sind wirklich nicht nötig, sie sind mehr als nötig. In Wahrheit leben wir von dem, was uns gegeben ist. Nie steht am Anfang die Eigenleistung, jede Geburt beweist es, wir schaffen uns nicht selbst, wir sind mehr als unsere Leistungen und Fehlleistungen.

Im Neuen Testament steht sogar die Frage: „Was habt ihr denn überhaupt, was ihr nicht empfangen hättet“ (vgl Mt 10,8 und 1 Kor 4,7) – und zwar unverdient und ohne Vorleistung.  Alles ist Gnade, alles ist Geschenk. Das jedenfalls ist die Quintessenz des biblischen Schöpfungsglaubens. Das, was es alles gibt, ist demnach Ausdruck einer freigebenden Güte, die es schenkt und gibt. Eigentlich müssten wir dann sagen: er gib oder sie oder es, jedenfalls dieser schöpferische Gott, ohne den nichts wäre, auch ich jetzt nicht und Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer. „Das war aber nicht nötig“ – diese wunderbare Antwort gilt nicht nur für die geschenkten Blumen. Es gilt für das Leben, nichts als geschenkt.  Oder mit dem italienischen Dichter Ungaretti gesagt: „Zwischen einer gepflückten Blume und einer geschenkten – das unaussprechliche Nichts“, das Wunder der schenkenden Güte.

Sich derart beschenken lassen, ist eine Kunst. Und derart schenken nicht minder. Und beides gehört zusammen wie Ein- und Ausatmen. Aus dem Beschenktsein, aus der Gnade leben – das macht dankbar. Und es fördert den Wunsch, anderen Gutes zu tun, und die eigenen Möglichkeiten offensiv zu nutzen. Nichts bringt ja mehr Glanz ins Leben als Geschenke, oder anders gesagt: zuvorkommend sein, die gute Initiative ergreifen, zum Geschenk werden füreinander.  Und z.B. den heutigen Tag als Geschenk begreifen: „das ist doch nicht nötig“. Doch, mehr als das!

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