SWR2 Wort zum Tag

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15JUL2021
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Was macht Gott eigentlich donnerstags, also an einem ganz normalen Donnerstag wie heute? Was ich heute mache, das weiß ich ja: Ich stehe auf und gehe zur Arbeit, ich freue mich auf dem Weg an dem Mohn am Straßenrand, der gerade so herrlich blüht, und an dem Korn, das so reif auf dem Feld steht. Nach der Arbeit gehe ich irgendwann wieder nach Hause, esse ein paar Scheiben Brot und schlafe ein. Aber Gott, was macht der eigentlich in der ganzen Zeit?

Martin Luther hat sich darüber Gedanken gemacht, und seine Gedanken lassen mich auch heute noch anders auf meinen Tag schauen. In einer Vorlesung über die Schöpfung hat er über Gottes Handeln heute nachgedacht. Luther schreibt: „Unser Acker und Garten ist voll Bibel“ – und „Bibel“, das heißt bei Luther hier nicht: ein dickes Buch. Sondern „Bibel“ heißt hier für Luther die Weise, wie Gott zu uns spricht. Und daher sagt Luther im nächsten Satz: „Gott predigt durch seine Wunderwerck, und mehr noch: Gott klopft auch an unsere Augen, rührt an unsere Sinne und leuchtet uns gleich ins Herz.“

Ich spüre: Martin Luther ist nicht nur der kampferprobte Reformator gewesen, der sich den Katholiken entgegengestellt hat und in Worms dem Kaiser die Stirn bot. Nein, Martin Luther hat auch eine ganz zarte Seite gehabt. Er war ein hochsensibler Mensch mit großem Gespür für Gottes Gegenwart. Gott predigt also durch den Mohn am Straßenrand und klopft so „an unsere Augen und rührt an unsere Sinne“ – hier, schau doch mal hin, wie wunderschön diese Mohnblüte ist, wie herrlich rot sie leuchtet. Komm mal näher heran, um Dir dieses Wunderwerk ganz genau anzuschauen“ - Und über das Korn auf dem Feld sagt Luther: „Wenn wir Ohren und Augen hätten, so könnten wir hören, wie das Korn sagt: Sei fröhlich in Gott, iss, trink, gebrauch mich – und mache ein leckeres Brot aus mir.“

Luther lässt dabei zugleich Worte anklingen, die bei der Feier des Abendmahls gesprochen werden. Denn Jesus, der das Abendmahl an einem Donnerstag eingesetzt hat, am Gründonnerstag, nahm Brot und Wein und sagte, dass Gott uns dadurch anspricht und dass er darin gegenwärtig ist. Luther denkt sich: Wenn Gott uns im Abendmahl in Brot und Wein anspricht, dann auch im Korn und in der Mohnblüte in unserem Alltag.

Und so gehe ich an einem ganz normalen Donnerstag wie heute mit frohen Erwartungen in den Tag. Die Mohnblüte dort drüben und das Korn auf dem Feld und meine Brotscheiben sind „voll Bibel“ – hoffentlich merke ich auch heute, was für Wunderwerke sie eigentlich sind.

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