SWR2 Wort zum Tag

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Das Kreuz ist ärgerlich, abstoßend, vor allem mit dem geschundenen Leib daran. Kein Wunder, dass die Christen immer wieder in den Verdacht geraten, sie seien ins Leiden verliebt, nah am negativen Denken, ziemlich depressiv. Ein Missverständnis.
Wer in diesen Kartagen den Weg Jesu mitgeht, erkennt sofort: Jesus suchte den Kreuzestod nicht, von Selbstquälerei keine Spur. Er hatte nur eins im Sinn: Die göttliche Gerechtigkeit und er wollte Frieden und Recht zwischen uns Menschen schaffen, und zwar für alle. Weltherrschaft Gottes nannte er das, Gottes Reich. Allein davon war er bewegt, und deshalb kam es zum tödlichen Konflikt in Jerusalem. Allein deshalb wurde dieser Prophet aus Galiläa verhaltensauffällig. Denn er stellte das Machtbündnis von Religion, Politik und Wirtschaft in Frage. Dessen Heiligtum und Zentrum in Jerusalem war der Tempel. Dort räumte er auf. Das alles würde zusammenkrachen wie ein Kartenhaus, sagte er hellsichtig voraus. Vierzig Jahre nach Jesu Tod war es in der Tat so weit. Die Römer machten alles platt, im vierjährigen brutalen Krieg gegen das aufständische Israel. Aber Jesus war kein Militarist, Kriege waren nicht seine Sache. Wo es aber um gerechtes und wahren Zusammenleben geht, da zeigte er sich höchst konfliktfreudig. Da duckte er sich nicht weg, aus der üblichen Angst vor Schwierigkeiten. Da heulte er nicht mit den Wölfen, von Resignation hielt er nichts. Die Killerphrase „Da ist nichts zu machen“ war ihm fremd. Mitten hinein ging er ins Zentrum der Macht, der religiösen, der politischen, der wirtschaftlichen. So ohnmächtig er war, so mächtig wurde er doch. Er suchte das Kreuz nicht, aber er nahm es in Kauf – um Gottes und der Menschen willen. Gerade so deckte er auf, wie die Verhältnisse noch sind: Egoistisch nämlich und deshalb gewaltförmig. Im Kreuz Jesu wird beides offenbar: Das Ausmaß von Unrecht und Gewalt hierzulande, zugleich aber Gottes Feindesliebe, sein entschiedener Wille zu Gerechtigkeit und wahrem Leben für alle. Auferstehung heißt dieses Wunder der Treue Gottes, auch Aufstand. Jesus ist der aufgeweckte Zeuge wahren Lebens. Nicht ins Leiden also sind Christen verliebt, ganz im Gegenteil. Sie sollen am Realismus Jesu teilnehmen, nicht kneifen, sollen verhaltensauffällig werden wie er – selbst wenn es einen Preis kostet, einen hohen gar. Daran erinnert das Kreuz Jesu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3352
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