SWR2 Wort zum Tag

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17JUL2021
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Der Sommer ist auch nicht mehr das, was er mal war. Früher, da konnte ich den Sommer begrüßen mit dem wunderbaren Lied von Paul Gerhardt: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser schönen Sommerszeit“, und dann hat mir Paul Gerhardt auch gleich noch einen Tipp gegeben, wo ich denn genauer hinschauen soll: „Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.“  

Ich bin dann oft gern in den Garten gegangen, um mir das genauer anzusehen Aber letztes Jahr sah alles schon ganz anders aus. In meinem Garten gab es viele halbverdorrte Rosen mit gelb-grünen Blättern und wenig strahlendem Rot. Und unsere Birke hat schon viel zu früh ihre Blätter abgeworfen, weil ihr das Wasser gefehlt hat. Dieses Jahr bin ich auf dem Weg hin zum Garten durch unseren Keller gegangen. Ich wollte nachschauen, ob da Wasser reingelaufen ist, so wie beim Nachbarn, nach dem Sturzregen letzte Woche. Der Keller war trocken, aber im Garten hat es so stark geregnet, dass die Rosen ganz zerzaust aussehen. Wo ist sie also hin, „der schönen Gärten Zier“? Und was mache ich mit so einem Lied wie dem von Paul Gerhardt, das geschrieben wurde vor der Wetterveränderung durch die Klimakrise? 

Auf meiner Suche nach Antworten lese ich weiter im Lied von Paul Gerhardt und stoße auf eine interessante Strophe. Da verwandelt sich die scheinbar naive Begeisterung für den Sommer da draußen und Paul Gerhardt wendet sich mir selbst zu. „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzeln treiben.“ Aha, denke ich mir, ich selbst soll ein guter Baum werden. Ich selbst soll von einem besonderen Geist erfüllt werden, von Gottes gutem Geist. Und Paul Gerhardt schreibt weiter: „Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben.“ Wenn Gottes Geist in mir Raum gewinnt, dann werde ich selbst eine schöne Blum und Pflanze, zu Gottes Ruhm. 

Ich überlege mir, was das heißen kann. Zum einen, denke ich, lässt mich Gottes Geist in neuer Weise hinschauen. Viele Blüten am Rosenstrauch sind vom Regen ganz zerzaust. Aber unten am Strauch entdecke ich eine kleine, zarte Blüte, die sich tapfer gegen den Regen gewehrt hat und deren Rot mich nun umso intensiver anstrahlt. Zum anderen lässt mich Gottes Geist neu aktiv werden, auch an einem ganz normalen Samstag wie heute. Ich werde insektenfreundliche Blumen pflanzen und gespannt darauf warten, dass sich neue Bienen ansiedeln. Wenn die mal da sind, werde ich wieder hinausgehen und mich freuen am Sommer. 

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