SWR4 Abendgedanken

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15JUL2021
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Führe mich, oh Herr, und leite meinen Gang nach Deinem Wort,
sei und bleibe Du auch heute mein Beschützer und mein Hort,
nirgends, als von Dir allein, kann ich recht bewahret sein. (EG 445, 5)

Ich mag dieses Gebet sehr. Die Vorstellung, dass Gott mich an die Hand nimmt und führt, mich beschützt. Bei ihm finde ich Geborgenheit, ich bin in Sicherheit. Ein ähnliches Gefühl muss ein kleines Kind haben, dass sich in Papas starken Arm kuschelt. Oder, fest und sicher an Mamas Hand, aufbricht, um die Welt zu erkunden. Wunderschön!

Nun bin ich aber kein Kind mehr. Und so kommt in mir immer wieder doch die Frage hoch: Ja, Gott, aber was will denn Dein Wort? Wohin soll es mich denn führen? So eindeutig ist dieses Wort eben nicht. Die Bibel, Gottes Wort, hat nicht zu allem eine eindeutige, klare Meinung. Außerdem wurde sie vor hunderten von Jahren geschrieben. Da waren viele Fragen, die wir uns heute stellen, noch gar nicht absehbar: Was mache ich, wenn mich meine Arbeitskollegin mobbt und schlecht behandelt? Wie kriegen wir eine gerechte Verteilung der Corona-Impfstoffe hin, hier und weltweit? Und: Welche Partei soll ich wählen, wenn im September Bundestagswahl ist?

Natürlich weiß die Bibel darauf keine direkte Antwort. Ich kann sie nicht einfach aufklappen und die richtige Stelle suchen und dann steht‘s da. Und zum Glück hat Gott uns Menschen ja den Verstand gegeben: Wir können die Bibel interpretieren und auslegen. Das ist nicht immer einfach. Aber es gibt große Leitlinien, die sich wie rote Fäden durch dieses „Wort Gottes“ hindurchziehen. Eine Leitlinie ist die Liebe. Der Apostel Paulus zum Beispiel hat in einem seiner Briefe geschrieben: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen! (1.Kor. 16,14)“ Und im ersten Johannesbrief heißt es: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1.Joh 4,16). Ja, auch das ist nicht immer einfach. Aber dass das Leben einfach ist, das hat ja auch niemand behauptet.

„Führe mich, oh Herr, und leite meinen Gang nach Deinem Wort.“ – Das ist ein Zuspruch: Gott nimmt mich an die Hand. Und in seiner Liebe bin ich geborgen. Aber es ist auch eine Aufforderung: Nämlich meinen Mitmenschen liebe- und respektvoll zu begegnen. Immer wieder neu kann auf die Suche gehen danach, was Gott denn wirklich von mir will und erwartet. Geborgen in seinem Arm, aber trotzdem auf meinen eigenen Füßen stehend.

Und: Nur Mut. Das kriegen wir hin. Denn: „Nirgends, als von Dir allein, kann ich recht bewahret sein.“

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