SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

11JUL2021
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Gerne mache ich das nicht. Meinen Koffer packen vor einer Reise. An was ich da immer alles denken muss!? Und wie schnell habe ich in der Hetze vergessen, etwas Wichtiges einzupacken. Für alle Eventualitäten will ich gerüstet sein. Das entspricht meiner Sicherheits-Mentalität. Ärgerlich war das vor Jahren zum Beispiel, als ich mir einen völlig überteuerten Rasierapparat im Urlaub kaufen musste. Und das war nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass ich etwas vergesse. Inzwischen habe ich mir eine Checkliste angelegt. Vor jeder Reise wird sie ergänzt und beim Packen all das abgehakt, was in den Koffer kommt.

Im Text der Bibel, der heute im Katholischen Gottesdienst vorgelesen wird, geht es auch um eine Checkliste. Sie stammt von Jesus und die hat es in sich. Er ruft seine Freunde zusammen und schickt sie in die umliegenden Dörfer und Städte. Immer zu zweit und nie alleine sollen sie den Menschen auf ihrer Reise von Gott erzählen. Besonders den Kranken und Geplagten sollen sie nahe sein. Und dann bestimmt er:

Nehmt nichts mit auf den Weg. Nur einem Wanderstab, ein Hemd und an den Füßen Sandalen. Kein Brot. Keine Tasche. Kein Geld. Und keine zwei Hemden.

Jesus möchte, dass sie auf die Gastfreundschaft der Menschen vertrauen, denen sie auf dem Weg begegnen. Das bedeutet für sie: Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf erhalten sie nur, wenn sie auf andere Leute zugehen und offen sind für Begegnungen auf ihrem Weg. All das, was ihnen auf der Reise Sicherheit gibt, sollen sie zurücklassen. Unnötigen Ballast erst gar nicht mitnehmen. Die Unsicherheit sollen sie aushalten.

Auch dort, wo man sie bewirtet und im Haus aufnimmt rät Jesus dazu, nur kurz zu bleiben. Bleibt in Bewegung, gibt er ihnen mit auf den Weg.

Ohne Anspruch auf Sicherheit und Vorsorge geben sie zu erkennen, dass sie zu Jesus gehören, denn der hatte immer wieder gesagt:

Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Werden wir genug zu essen haben? Und was werden wir trinken? Was sollen wir anziehen?

Nur Menschen, die Gott nicht kennen, lassen sich von solchen Dingen bestimmen. Euer Vater im Himmel weiß doch genau, dass ihr dies alles braucht. Setzt euch zuerst für Gottes Reich ein und dafür, dass sein Wille geschieht. Dann wird er euch mit allem anderen versorgen. 

MUSIK  

Um die Frage, was wir wirklich brauchen, darum geht es heute morgen in den SWR4 Sonntagsgedanken.

Jesu Freunde unterscheiden sich von all den anderen Wanderpredigern, die im Namen irgendwelcher Gottheiten im Land umherziehen. Die wollen die Leute beeindrucken. Auf ihre Spenden haben sie es abgesehen. Bereichern wollen sie sich auf ihrer Wanderschaft. Immer voller werden ihre Taschen. Bei Jesus ist es anders. Kein Brot. Keine Vorratstasche. Kein Geld. Kein zweites Hemd. Nur einen Wanderstab und Sandalen nehmen sie mit.

Doch die biblische Geschichte von vor 2000 Jahren nur zu kopieren und als Christ in Zukunft auf das Kofferpacken zu verzichten wäre zu einfach und tatsächlich auch kaum praktikabel. Wer tritt schon eine Reise an ohne Koffer!? Auch ich werde ihn weiterhin packen. Aber mich auch unterwegs darüber ärgern, dass ich mir wieder zu viele Klamotten eingepackt habe.

Doch es bleibt die Frage:  Was kann ich getrost auf meiner „Lebensreise“ loslassen und zurücklassen. Damit ich anderen Menschen und auch Gott nahe bleibe? Was sollte ich an Ballast abwerfen, damit ich freier werde und offener dafür, was mir von anderen Menschen geschenkt wird. Das ist eine Wohltat in einer Zeit des Überflusses, wo wir ständig gedrängt und verlockt werden, immer noch etwas mehr zu machen oder haben zu müssen.

So sieht das auch der Dichter Hans Magnus Enzensberger in einem seiner Gedichte, das den Titel „Minimalprogramm“ trägt. Da heißt es:

Überwältigend, was alles entbehrlich ist.

Nur wer vieles übersieht, kann manches sehen.

Was man festhalten kann, was einen festhält, das ist das Wenigste.

Sich öfter mal fragen, was alles entbehrlich ist. Dort wo wir beginnen Dinge aus der Hand zu geben und frei zu werden kommt eine andere Wirklichkeit zum Vorschein. Wir erkennen immer mehr, dass wir von anderen Menschen und irgendwie auch von Gott gehalten und getragen sind. Dass wir eben nicht alles festhalten und erhalten müssen.

Dieser Einsicht zu trauen ist nicht leicht. Sie steht all dem entgegen, was Kindern schon beigebracht wird. Dass alles von mir und meiner Leistung und meinem Besitz abhängt. Von dem, was ich kann und mitbringe.

Überwältigend, was alles entbehrlich ist, schreibt Hans Magnus Enzensberger.

Das könnte heißen, mal genauer hinzuschauen und vielleicht zu entdecken, dass Loslassen möglich ist. Dass es auch OHNE geht.

Vielleicht gleich heute am Sonntag ein wenig von der Leichtigkeit der Freunde Jesu ausprobieren. Sich Zeit nehmen fürs Nichtstun. Einfach so. Lange zusammensitzen und erzählen. Sich einen Mittagsschlaf gönnen. Unbeschwert und mit leichtem Gepäck eine Wanderung machen. Oder: ganz spontan liebe Menschen zum Essen einladen und das Wenige teilen, was im Kühlschrank ist.

Ich wünsche Ihnen etwas von alledem. Haben Sie einen schönen Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33498
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