SWR2 Wort zum Tag

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13JUL2021
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Warten zu müssen steht in keinem guten Ruf. Ist doch unnütz. Verlorene Zeit. Längst nicht immer ist das so. Das Warten kann höchst aktiv sein. Auch produktiv. Und entscheidend. Wie vor genau zweihundert Jahren in Karlsruhe. Als sich dort die protestantische Generalsynode im Großherzogtum Baden versammelt hat. Die beiden evangelischen Konfessionen im Großherzogtum - Lutheraner und Reformierte - wollten sich zu einer Kirche zusammenschließen. Sie waren sich vor allem in der theologischen Deutung des Abendmahls längst noch nicht einig. Mit einem Katalog von 8 Fragen und Antworten hat ein Team von Experten Antworten vorgeschlagen, in denen sich die unterschiedlichen Denkweisen wiederfinden konnten.

„Welches sind beim Abendmahl die sichtbaren Zeichen?“ wurde etwa gefragt. „Brot und Wein“ war die Antwort, freilich mit dem Zusatz, „welche auch in dem Genusse Brot und Wein bleiben.“ Das war für die einen. Weiter wurde gefragt: „Welches sind die unsichtbaren Güter im Abendmahl?“ Antwort: „Alles, was uns Jesus Christus erworben hat, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.“ Das war für die anderen.

Aber wie sollte die Synode zu einem Beschluss kommen? Über das rechte Verständnis des Abendmahls einfach abstimmen? „In Sachen des Glaubens und des Gewissens geht das gar nicht“, – so der Präsident der Synode, Graf Berckheim. Das Ergebnis der Beratungen wurde also vorgestellt. Danach: Warten. Dichtes, intensives, hochemotionales Warten. Volle fünf Minuten. Dann erklärte der Vorsitzende das Ergebnis als angenommen. So ist im Warten eine neue vereinigte evangelische Kirche in Baden entstanden.

Grund zum Feiern ist das allemal. Weil die evangelische Kirche in Baden auf eine nun zweihundertjährige Geschichte zurückblicken kann. Aber auch Grund zum Hoffen! Mit diesem Modell könnte doch auch in Zukunft manches erschwiegen werden, was viele Menschen sehnlichst erträumen. Etwa eine Ökumene, die noch viel weitergeht als das im Moment vorstellbar ist. Auf jeden Fall sollte das Warten können auch hier ein höchst produktives sein. Und kein ängstliches Aussitzen.

Vor 200 Jahren hat sich eine bewährte biblische Weisheit des Jesaja durchgesetzt: „Im Abwarten und Hoffen könnt ihr Stärke gewinnen!“ (Jesaja 30,15) Der Wahrheitsgehalt dieses Satzes lässt mich auch für die Zukunft hoffen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33493
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