Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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06JUL2021
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Unsere Tochter wird immer auf Hilfe angewiesen sein. Das hat mir ein älteres Ehepaar gesagt. Ihre Tochter hat eine Behinderung – und sie machen sich Sorgen, was aus ihr wird, wenn sie sich nicht mehr um sie kümmern können. Ich kann das gut verstehen. Aber nach dem Gespräch ist mir der Satz noch einmal durch den Kopf gegangen: Unsere Tochter wird immer auf Hilfe angewiesen sein.

Das stimmt. Die junge Frau wird ihren Alltag tatsächlich alleine nicht meistern können. Sie wird Unterstützung brauchen. Im Haushalt, mit dem Papierkram und für manches andere. Aber dann ist mir aufgefallen: Eigentlich gilt das doch für uns alle! Jeder und jede von uns wird immer auf Hilfe angewiesen sein.

Klar, wie viel und für was genau wir Hilfe brauchen – das ist unterschiedlich. Wer nie lesen und schreiben gelernt hat, braucht ganz andere Unterstützung als zum Beispiel eine Rollstuhlfahrerin. Als ich ein Säugling war, musste sich rund um die Uhr jemand um mich kümmern, heute kann ich mehr alleine. Aber das kann sich schnell ändern – spätestens im Alter. Und: Für ganz viele Dinge brauche ich eben auch jetzt Hilfe. Ich kann meine Gangschaltung am Fahrrad nicht alleine reparieren. Ich habe Probleme, alleine einen Biertisch in den Garten zu tragen. Und ich kann auch auf Dauer nicht alleine mit meinen Sorgen klarkommen. Ich bin darauf angewiesen, dass ich jemandem davon erzählen kann – der mir zuhört, und vielleicht auch einen Rat gibt.

Ja, auch ich brauche ständig Hilfe. Wie wir alle. Der Apostel Paulus hat das auch so gesehen: Helft einander, die Lasten zu tragen, schreibt er in einem Brief, der in der Bibel zu finden ist. Helft einander, die Lasten zu tragen. Denn jeder wird seine eigene Last zu tragen haben.

Wir alle werden immer auf Hilfe angewiesen sein. Ich glaube: Wenn das allen klar wäre, wäre das Leben einfacher. Es wäre einfacher für Leute, die viel Hilfe brauchen, egal ob vom Pflegedienst, vom Jobcenter oder von ihrer Familie – weil sie merken: das darf so sein. Und es wäre auch einfacher für die Menschen, die denken, sie müssten alles allein schaffen – weil sie merken: das stimmt nicht. Es ist normal, um Unterstützung zu bitten. Sie haben dann vielleicht auch größeres Verständnis für andere, die mehr Hilfe brauchen. Und greifen ihnen unter die Arme, wenn sie können.

Helft einander, die Lasten zu tragen! Dem Aufruf aus der Bibel kann ich mich nur anschließen. Weil keiner ohne Unterstützung klarkommt. Ich auf jeden Fall nicht.

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