SWR2 Wort zum Tag

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10JUL2021
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Wer Wien kennt, kennt auch die Pestsäule am Graben. Sie sieht heute aus wie ein schönes Kunstwerk: 21 Meter hoch, mit viel Gold verzieht, schwebt über den Menschen in der Fußgängerzone die Heilige Dreifaltigkeit mit Gottvater, dem Sohn und dem Heiligen Geist als Taube. Getragen von neun Engeln. Aber diese Säule ist eben nicht nur ein schönes Kunstwerk, sondern sie erinnert an die letzte große Pest in Wien im 17. Jh.  Als Kaiser Leopold deswegen die Stadt verlassen musste, hat er ein Versprechen gegeben. Wenn die Pest endet, wird er aus Dankbarkeit gegenüber Gott so ein Kunstwerk errichten lassen. Ich finde das beeindruckend. Denn wir erleben derzeit etwas ähnliches. Ob jemand nach dem Ende der Corona-Pandemie aus Dankbarkeit so etwas wie die Pestsäule errichten wird?

In der Pestzeit gab es ein anderes Weltbild. Die Menschen haben mit Gott gerechnet und darauf vertraut, dass er eingreift. Und wenn eine Seuche wie die Pest überstanden war, war klar, dass Gott geholfen hat, dass er der Retter aus der Not ist. Deshalb galt es auch, ihm zu danken.

In der Corona-Pandemie war das auf den ersten Blick anders. Wir haben nicht auf ein Wunder gewartet, sondern mit den Abstandsregeln, mit Masken und mit Tests Schutzmaßnahmen entwickelt, die auf den Verstand aufbauen.

Es sieht so aus, als ob wir Menschen uns heute selbst helfen und allein auf unseren Verstand und unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse bauen anstatt auf Gott. Dabei ist das gar kein Gegensatz. Wenn ich als Christ glaube, dass Gott die Menschen erschaffen hat, dann stammt auch unser Verstand von ihm. Was wir damit wissenschaftlich erreichen, entspricht seinem Plan. Deshalb sehe ich den menschlichen Verstand nicht als Gegensatz zu Gottes Hilfe. Er ist für mich eine Möglichkeit, die Gott uns als Schöpfer eröffnet. 

Wenn wir nach der Corona-Pandemie zum Alltag zurückkehren, finde ich es einen Gedanken wert, dankbar zu sein:

Und wir können Gott unsere Dankbarkeit zeigen, wenn wir dafür sorgen, dass Impfstoffe und vielleicht bald auch Medikament bei allen Menschen auf der Welt ankommen. Vermutlich freut ihn das mindestens genauso wie eine moderne Pestsäule. Denn es zeigt, dass wir ihm in Dankbarkeit verpflichtet sind: Als dem, der uns Menschen seine schöpferische Kraft schenkt, mit der wir uns gegenseitig tragen und helfen. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33454
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