SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

07JUL2021
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Ich habe es schon oft erlebt. Und jedes Mal berührt es mich neu. Da wird ein Schüler von seinen Mitschülern geärgert und ausgeschlossen. Nach einer gewissen Zeit vertraut er sich seinen Eltern an. Diese sind dann oft in Sorge und vor Mitleid so gelähmt, dass sie den Lehrern nichts sagen. Und ich als Lehrer habe oft keine Ahnung davon, dass sie meine Hilfe brauchen. Das berührt mich. Die betroffenen Kinder leiden oft lange, ohne Hilfe zu haben. Und die Eltern leiden mit.

Es gibt viele Gründe, warum jemand keine Hilfe in Anspruch nimmt. Oft ist es einfach so, dass die Betroffenen einfach hoffen, dass es irgendwie von selbst besser wird und sich wieder einrenkt, wenn sie es nur lange genug aushalten. Aber genau das kratzt auf Dauer an der Persönlichkeit der Kinder. Sie werden unsicher und verhalten sich dann oft seltsam, was sie noch mehr zur Zielscheibe der anderen macht.

Manche schämen sich schlichtweg, wenn sie Unterstützung holen. Sie denken, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn man etwas nicht allein schafft. Dabei sehe ich das genau umgekehrt. Es ist doch eher ein Zeichen von Intelligenz und Stärke, wenn ich mir die Hilfe hole, die ich brauche.

Aber das zeigt auch, dass es darauf ankommt, wie so eine Hilfe aussieht. In der Schule haben wir deshalb Streitschlichter, also Schüler, die sich um andere Schüler in Konflikten kümmern. Das ist wichtig, weil die Unterstützung damit auf derselben Ebene bleibt und der Zusammenhalt unter den Schülern gestärkt wird.

Für mich hat aber auch Jesus ein paar Wege gezeigt, wie eine echte Unterstützung funktioniert.

Zum einen hilft er nie ungefragt. Im Gegenteil, er fragt immer die Hilfesuchenden, was er mit ihnen machen soll oder was sie sich von ihm wünschen. Ich finde das deshalb wichtig, weil es den, der Hilfe in Anspruch nimmt, nicht klein macht, sondern als Person ernst nimmt. Er entscheidet, wie es weitergeht. Das ist besonders bei Personen wichtig, die sich in ihrer Situation als Opfer fühlen.

Das zweite, was bei einer echten Unterstützung wichtig ist, ist, dass ich so helfe, dass der Hilfesuchende stärker wird durch meine Hilfe. Und irgendwann auch gar nicht mehr auf mich angewiesen ist. Sonst wäre er durch meine Hilfe ja nur abhängig von mir, aber nicht gestärkt. Jesus macht deshalb bei denen, denen er hilft, immer deutlich, dass es eigentlich nicht er ist, der das Wesentliche bewirkt, sondern der, der seine Hilfe in Anspruch nimmt und auf ihn vertraut. Ich denke, er meint genau diese Ich-Stärke, wenn er ihnen sagt „Dein Glaube hat Dir geholfen“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33436
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