SWR3 Gedanken

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28JUN2021
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Durchsichtige Folie, ziemlich zerknittert und faltig. Und mitten drin: Zwei Frauen. Die eine legt fest ihre Arme um die andere, kleinere. Umhüllt sie regelrecht mit ihrer Umarmung. Und ihre Umarmung wiederum ist umhüllt von der Plastikfolie. Fast wie eingepackt. Das ist das Weltpressefoto des Jahres (2021). Vom dänischen Fotografen Mads Nissen. Es trägt den Titel: „The First Embrace“ – die erste Umarmung.
Er hat den Moment festgehalten, als eine brasilianische Rentnerin nach langer Isolation innig von einer der Pflegerinnen ihres Heims in den Arm genommen wird. Die beiden werden in ihrer Umarmung durch einen durchsichtigen Plastikvorhang getrennt – aus Hygieneschutzgründen.

Ich glaube, dieses besondere Foto wird noch lange von der Zeit der Pandemie erzählen. Es zeigt: Etwas so Alltägliches wie eine Umarmung kann auf einmal zu etwas ganz Besonderem werden. Davon erzählt der Plastikvorhang zwischen den beiden. Für mich ist es auch ein Foto des Jahres, weil es mich daran erinnert, wie sehr ich die Umarmungen und die Nähe zu anderen Menschen vermisst habe. Und immer noch vermisse.

Und auch wenn das eines Tages wieder möglich sein wird – Umarmungen ganz ohne Vorhang oder Abstand – frage ich mich: Was kann eine Umarmung ersetzen? – Nichts, gar nichts. Aber es gibt doch etwas, das wie eine Umarmung wirken kann: Worte.
Worte wie: „Ich bin bei dir, ich helfe dir.“ Viele Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass Gott das zu ihnen gesagt hat. Wenn es ihnen nicht gut ging. Die Bibel erzählt von solchen Geschichten – in denen Gott sagt: Ich stärke dich, wenn du traurig bist. Ich bin bei Dir, wenn du dich alleine fühlst. Ich bin dir nahe. – Worte wie eine Umarmung. Eingehüllt in Liebe.

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