SWR2 Wort zum Tag

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29JUN2021
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Ein politisches Plakat hat unlängst Aufsehen erregt. Zu sehen war die Kanzlerkandidatin der Grünen – Annalena Baerbock – in grünem Gewand mit zwei Gebotstafeln in den Händen. Moses auf weiblich und grün.

Darunter der Schriftzug: „Wir brauchen keine Staatsreligion.“

Die sog. „ Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ (INSM) warnt so vor Vorschlägen der GRÜNEN.

Ich habe mich gefragt:

Was soll so ein religiöses Motiv im politischen Wettstreit der Meinungen?

Verstanden habe ich: Annalena Baerbock verkündet angeblich Regeln und Gebote – Gott gleich – ohne wenn und aber. Sie stehe für Verbote und Verzicht. Sie wolle unsere Freiheiten abschaffen.

Ganz gleich wie zutreffend oder auch absurd eine solche Kampagne ist,

Judentum und Christentum hätten es nach diesem Bildprogramm nämlich vorzugsweise mit Unfreiheit und Verboten zu tun.

Ein Vorurteil, dass sich hartnäckig hält und immer wieder benutzt wird.

Verschwiegen wird dabei mindesten zweierlei:

Erstens:  Wir leben alle in einer Welt voller Regeln, voller Gebote und Verbote. Und das ist gut so. Wir könnten sonst nicht einmal sicher über die Straße gehen. Regeln, Gebote und Verbote sind also nicht per se etwas Negatives.

Und zweitens: Gebote und Verbote sind nichts Starres. Sie werden weiter entwickelt. Wie in unserer Rechtsprechung so auch in den Religionen. Gewiss: Auch nicht der kleinste Buchstabe soll von den 10 Geboten verschwinden – sagt Jesus einmal – doch sie müssen gedeutet werden – immer wieder neu.
Wie den Ruhetag halten?

Was heißt es, anderen nichts wegnehmen oder neiden?

Je und je kommt es darauf an, dies neu in die aktuelle Situation hinein zu buchstabieren.

In unserer Gesellschaft geschieht das auf der Basis der in der Verfassung verbrieften Grundrechte.

In der Bibel ist es das 1. Gebot:

Der Gott, der dir seine Gebote zuruft, hat dich in die Freiheit geführt.

Alle Gebote sollen darum einem Miteinander in Freiheit und Frieden dienen. Sie sollen keine „Tyrannei der Verbote“ errichten, sondern ein Leben in Freiheit eröffnen.

Ich wünsche mir, dass möglichst viele den Segen dieser befreienden Ordnungen entdecken und erleben.

Welche Gebote und Verbote Sinn machen und welche nicht – darüber lohnt es sich nachzudenken. Auch kontrovers.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33408
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