Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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28JUN2021
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Seltsam – ausgerechnet im Corona-Jahr hat ein privater Klinik-Konzern den stolzen Gewinn von 600 Millionen Euro eingefahren, obwohl seine Betten schwächer ausgelastet waren.[1]) Es wurde ja weniger operiert, und viele Kranke haben von sich aus die Kliniken gemieden. Woher dann der Gewinn? Ganz einfach: Die Regierung hat, um für den Ernstfall gerüstet zu sein, für jedes leer stehende Bett mehrere hundert Euro pro Tag bezahlt. Das rechnet sich. Nun klingeln unsere Steuergroschen lustig in den privaten Schatullen von Anlegern und Aktionären.

Für mich ist diese skandalöse Bilanz ein weiteres Indiz: Unser Gesundheitssystem ist moralisch krank bis auf die Knochen! Gesundheit, dieses kostbare Gut, wird an der Börse gehandelt. Man scheut sich nicht, aus Krankheit, Not und Tod Kapital zu schlagen. Das ist die Folge jener fatalen politischen Fehlentscheidung aus den 90er Jahren, als man das Gesundheitswesen dem Markt übergab. Gesundheitsfürsorge aber ist ein Grundrecht. Es muss zurück in die Öffentliche Hand!

In der Bibel ist der Umgang mit Kranken ein „Werk der Barmherzigkeit“. Wie sich diese buchstabiert, erzählt Jesus in seiner bekannten Story von einem brutalen Überfall zwischen Jerusalem und Jericho. Vermutlich war der „barmherzige Samariter“ ein reisender Geschäftsmann (Lukas-Evangelium 10,25-37), der dem Überfallenen erste Hilfe leistet und ihn an den Tropf hängt: „Er goss Öl und Wein in seine Wunden“. Damit nicht genug. Notdürftig verpflastert lädt er den Schwerverletzten auf seinen Esel und bringt ihn ins nächste Hospiz. Dort bezahlt er die stationäre Behandlung im voraus und garantiert Kostenübernahme für die REHA. Und das alles ohne Fallpauschalen oder Ersatz für seinen eigenen Verdienstausfall.

Ich möchte heute all denen danken, die als Pflegende und als Ärztinnen und Ärzte in diesem maroden Kosten-Nutzen-System barmherzig bleiben. Sie verschanzen sich nicht einfach hinter Bildschirmen und Konsolen, Listen und Tabellen, sondern wenden sich – oft den Geschäftsführer im Genick – voll Aufmerksamkeit und Liebe kranken und leidenden Menschen zu. Vielleicht würde Jesus uns heute sie als die „barmherzigen Samariter und Samariterinnen“ vor Augen führen und uns, wie die Menschen von damals, auffordern: „Geht hin und tut desgleichen!“

 

[1]    DIE ZEIT 20/2021

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33396
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