SWR2 Wort zum Tag

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Gründonnerstag „Wir behandeln die Menschen mit großem Respekt vor ihrer Würde.“ Diesen Satz habe ich vor einigen Wochen in Südafrika gehört, aus dem Mund von Schwester Helen, einer kanadischen Ordensfrau. In einer der riesigen Armenstädte bei Johannesburg betreut sie AIDS-Kranke. Die Dächer der erbärmlichen Wellblechverschläge, in denen viele der etwa 700.000 Menschen leben, halten dem Wasser nicht stand. An sonnigen Tagen ist es glühend heiß darin. Rund 70 Prozent sind hier arbeitslos. Etwa ein Drittel der Slumbewohner, so schätzt man, sind HIV-infiziert oder AIDS-krank. Wer unter dieser Geißel leidet, schämt sich, verleugnet seine Krankheit, wird oft von der eigenen Familie verstoßen. Krankheit, Armut und Hoffnungslosigkeit vermengen sich. „Wir behandeln die Menschen mit großem Respekt vor ihrer Würde“, sagt Schwester Helen, und führt uns durch knöcheltiefen Morast zu der kleinen AIDS-Klinik.
Heute ist Gründonnerstag. Am Abend vor seinem Tod am Kreuz, hat Jesus sein Obergewand, das herrschaftliche Kleidungsstück, abgelegt, so erzählt das Evangelium dieses Tages Er hat sich eine Schürze umgebunden und seinen Jüngern die Füße gewaschen. Das war in Israel der Dienst der Sklaven für die Gäste des Hauses. Einem anderen Menschen die Füße waschen, bedeutet, sich tief zu ihm hinunterbeugen. Es bedeutet eine tiefe Verbeugung vor seiner Würde. So ist Gott, sagt Jesus mit dieser Geste. Er verbeugt sich vor eurer Würde. Er behandelt euch nicht von oben herab, sondern begegnet euch auf Augenhöhe. Er schaut euch an und sieht eure Not, eure Bedürftigkeit, eure Sehnsucht nach Leben. Er tut euch etwas Gutes. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, sagt Jesus, damit ihr ebenso handeln könnt.
Ich habe in den Townships, in den schwarzen Elendsstädten Südafrikas, erlebt, was das bedeuten kann: Handeln nach dem Beispiel Jesu. Ich bin Menschen begegnet, die sich auf Augenhöhe mit den Ausgestoßenen begeben. Nur wer sich zu den Gedemütigten hinabbeugt, wer sich auf sie einlässt, erkennt ihre Not. Er lernt sie aber auch neu in ihrer Würde sehen. Das erschöpft sich nicht in frommen Worten. Das bedeutet, die Kranken aufzuklären und medizinisch zu behandeln. Das bedeutet, sie in ihren Hütten aufzusuchen, dafür zu sorgen, dass sie ihre Medikamente regelmäßig nehmen, einigermaßen vernünftig leben und auf Hygiene achten. Schwer genug in solchen Verhältnissen. Es bedeutet, dafür zu sorgen, dass die Kinder – darunter sehr viele AIDS-Waisen – etwas zu essen bekommen, Kleidung erhalten und etwas lernen können. Das bedeutet, Sterbende nicht alleine zu lassen. „Wir behandeln die Menschen mit großem Respekt vor ihrer Würde.“ Das Beispiel Jesu, der seinen Freunden die Füße wäscht, wird hier anschaulich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3338
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