SWR1 Begegnungen

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13JUN2021
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Andreas Welte Foto: Privat

… und mit Andreas Welte, den ich in seinem Büro in Speyer treffe. Seit über 20 Jahren arbeitet er schon in der Betriebsseelsorge, die heute passender Seelsorge in der Arbeitswelt heißt. Die Welt der Arbeit ist in den letzten Jahrzehnten vielfältiger und unübersichtlicher geworden. Auch schon vor Corona. Doch wieso ist sie überhaupt ein Ziel von Seelsorge? Andreas Welte erinnert an das Zweite Vatikanische Konzil, das in den sechziger und siebziger Jahren die katholische Kirche grundlegend modernisierte.

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche für sich festgestellt: Wir müssen in den Sozialraum mehr hineinkommen. Also wir sind Kirche am Ort der Arbeit. Wir gehen hin zu den Menschen, wo sie ihr Einkommen verdienen. Wir gehen in Industriebetriebe, wir gehen aber auch in Behörden, in Krankenhäuser in Heime, also ganz unterschiedlicher Art. Wir fragen immer nach: Wie geht’s euch mit eurer Arbeit, was sind die Herausforderungen, wo gibt’s die Schwierigkeiten und eruieren dann, wo und wie können wir euch helfen?

Trotzdem kann ich als Kirchenvertreter ja nicht einfach in so einen Betrieb wie die BASF hineinmarschieren, oder bei Daimler oder Opel in die Werkshalle.

Du hast normalerweise, um in einen Betrieb zu kommen, ja nicht viel Varianten. Unsere Erst-Ansprechpartner sind die Betriebs- und Personalräte, also die Arbeitnehmervertretungen oder auch die MAVen.

Denn die wissen in der Regel am allerbesten, wo der Schuh drückt und was die Kirchen eventuell für sie und die Beschäftigten tun können. Doch was ist das? Was kann Kirche denn für arbeitende Menschen leisten?

Wir haben z.B. in der letzten Zeit relativ viel zum Thema Resilienz angeboten, also wie gehe ich sozusagen mit den Herausforderungen, die jetzt neu sind, um und was brauch ich da dazu?   Wir haben aber auch für die Betriebs- und Personalräte sowas wie Supervisionsangebot und die große Chance liegt auch darin, dass wir fachübergreifend die Supervision organisieren, dass hier die Großen von den Kleinen ein bisschen was abgucken oder Erfahrungen sammeln können. … Ein weiteres Angebot:  Betriebs- und Personalräteschulungen. Also wo wir für neugewählte Personalräte einfach so ne Art Starterschulung anbieten. Auf was kommt‘s drauf an aus unserer Sicht? Wie kommt man da gut miteinander in Einklang?

Denn im Mittelpunkt, so sagt Andreas Welte, steht die Frage:

Ist es ne gute Arbeit, ne menschenwürdige Arbeit? Trägt sie dazu bei, dass der Mensch sich in seiner Personalität entwickeln kann? Wir müssen immer darauf gucken, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht, dass der Mensch sozusagen verzweckt wird oder nur noch ökonomischen Zwängen unterliegt.

Auf welche Probleme sie dabei stoßen - nicht nur durch Corona - darüber spreche ich gleich mit ihm.

 

Teil 2

 

… Andreas Welte ist Seelsorger für Menschen in der Arbeitswelt, denn die Berufsarbeit macht für Viele einen großen Teil ihres Lebens aus. Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt nun ganz schön durcheinandergewirbelt. Wie hat er das vergangene Jahr erlebt?

Am Anfang war es in der Tat die große, große Sorge des Arbeitsplatzverlustes. Da hat Gott sei Dank die Bundesregierung durch das Kurzarbeitergeld – das läuft ja bis Ende diesen Jahres ganz viel beigetragen, so dass viele Arbeitsplätze auch gesichert worden sind. Viele sind in der Kurzarbeit komplett zuhause. Für die war natürlich eine riesige Herausforderung: Wie managen wir das daheim auf engem Raum. Dann hat es in der Tat ganz viele aus dem Gastrogewerbe oder aus dem künstlerischen Gewerbe oder aus der Reisebranche getroffen. Und so langsam, glaub ich, kommt auch wieder die Sorge, was ist, wenn am 31.12. das Kurzarbeitergeld ausläuft? Was passiert dann?  

Dennoch stehen nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor einem scheinbar größer werdenden Problem. Immer mehr Menschen arbeiten in prekären Verhältnissen oder als sogenannte Schein-Selbstständige. Boten und Auslieferfahrer etwa, die ihre Arbeitskraft oft auf eigene Rechnung und Verantwortung anbieten. Sie sind kaum noch zu erreichen.

Wir versuchen, auf solche Missstände aufmerksam zu machen. Also z.B. was die Schlachtbetriebe angeht. Es gibt auch von den Kollegen aus Rottenburg-Stuttgart so ne Aktion, die auf die Felder gehen und gerade auch die Rechte für die Erntearbeiterinnen und -arbeiter, aufmerksam machen. Eine Schwierigkeit besteht natürlich auch darin, dass genau diese Unternehmer oder Unternehmerin, die auf eigene Rechnung machen, auch keine Zeit haben. Also ich selbst versuche immer mal wieder den ein oder anderen anzusprechen, ganz konkret, so’n UPS-Fahrer. Die haben halt schlicht und ergreifend keine Zeit.

Gibt es denn überhaupt etwas spezifisch Christliches, das wir als Kirche in die Arbeitswelt einbringen können? Aber klar doch, sagt Andreas Welte.

Wir versuchen Menschen zum Christsein zu ermutigen Was wir in der Arbeitswelt als solidarisch bezeichnen wäre christlich gesprochen Nächstenliebe. Also das heißt, die Menschen ermutigen am Beispiel des Evangeliums oder auch der christlichen Soziallehre um zu gucken, was ist hier hilfreich und was ist weniger hilfreich. Und bei dem, was weniger hilfreich ist könnte man sagen, was bietet denn die christliche Soziallehre oder auch das Evgl. als Alternative an? Bis hin eben, dass die Arbeit letztlich nur Mittel zum Zweck ist, dass der Mensch sich selbst entfalten kann.

Denn das ist es, worauf es letztlich ja ankommt. Auf jeden einzelnen Menschen, seine Würde und sein Lebensglück. Und das gilt auch für den Job.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33347
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