SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

14JUN2021
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Schön, dass es gerade so lange hell ist, am Abend. So ungefähr um halb zehn kommt die Dämmerung. Es wird dunkel und ich weiß: für manche wird es auch in der Seele dunkel. Ich kenne dieses Gefühl selbst. Der Tag liegt hinter mir, aber anstatt zur Ruhe zu kommen, fangen meine Gedanken an, zu kreisen: Was ist liegen geblieben? Was ist morgen zu tun? Wo weiß ich nicht weiter? Es gibt viele Leute, denen geht das ähnlich: Abends stapeln sich ihre Sorgen im Kopf und manche begleitet das sogar bis unter die Bettdecke. Wer nachts nicht schlafen kann, weil die Gedanken kreisen, der hat wirklich eine finstere Nacht.

Am nächsten Morgen ist das Gefühl meistens wieder verflogen. Es wird hell, und bei eine Tasse Kaffee oder Tee sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich bin immer froh, wenn mir ein neuer Tag auch neuen Schwung gibt. Bei Licht betrachtet sind meine Probleme auch nicht größer als die, anderer Leute, und ich fürchte, ich nehme sie manchmal einfach zu wichtig. Und trotzdem: Abends sitze ich wieder da und grüble.

Ich ärgere mich darüber, denn eigentlich weiß ich es ja besser. Anstatt auf das zu starren, was liegen geblieben ist, sollte ich lieber an das denken, was mir gelungen ist. Vielleicht ist das gar nicht viel. Vielleicht habe ich nur den Müll rausgebracht oder ein bisschen aufgeräumt - aber immerhin. Und warum sollte morgen nicht etwas Gutes auf mich warten? Morgen ist ein neuer Tag. Und ganz sicher geht die Sonne wieder auf.

Es gibt ein Lied im evangelischen Gesangbuch, das mir hilft, wenn es dunkel wird. Es ist das Lied „Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen“ und darin heißt es:

„Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben den Menschen überm Meer das Licht: und immer wird ein Mund sich üben, der Dank für Gottes Taten spricht.“

Das ist doch ein schöner Gedanke: Wir hier gehen langsam auf den Abend zu. Aber dafür geht irgendwo auf der Welt gerade die Sonne auf. Ich stelle mir vor, wie die Menschen aus ihren Betten kommen und sich erst einmal recken und strecken. Bestimmt kocht gerade irgendjemand Kaffee - oder was auch immer dort zu einem Frühstück gehören mag. Irgendwo auf der Welt fängt gerade jemand neu an. Und hier bei mir? - Hier ist es auch bald wieder Morgen. Ich bin gespannt, was der neue Tag bringen wird.

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