Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12JUN2021
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„Er war mein Ein und Alles.“ „Sie hat die Familie zusammengehalten.“ „Manchmal warte ich immer noch darauf, dass sie durch diese Türe kommt.“ Sätze wie diese höre ich oft in Trauergesprächen. Und ich fühle den Schmerz, den Menschen spüren, wenn eine geliebte Person nicht mehr da ist. Ob mitten aus dem Leben gerissen oder nach langer Krankheit eingeschlafen. Am Ende ist der Verlust eines geliebten Menschen immer ein Schock. Plötzlich schweigt die vertraute Stimme. Die Wohnung, der Platz, das Bett ist leer. Und da ist diese schmerzhafte Stille im Herzen. Dieser Druck auf der Brust, diese schwere Einsamkeit, die sich über alles legt. Da sind die Hausschuhe, die jetzt verwaist im Flur stehen. Und der Teller, den man doch noch beim Mittagessen auf den leeren Platz stellt. Und da sind die Erinnerungen. Die alten an die geliebte Person. Und die neuen, die wir nicht mehr miteinander teilen können. Der Tod trennt. Er trennt Liebende. Er trennt Familien. Er trennt Freunde. Der Tod trennt. Kann er auch verbinden?

Kurz vor seinem Tod führt Jesus seine Mutter und seinen besten Freund zusammen. Das Johannesevangelium überliefert und dazu folgende Worte: „Nahe bei dem Kreuz von Jesus standen seine Mutter und der Jünger, den er besonders liebte. Da sagte Jesus zu seiner Mutter: „Frau, sieh: Er ist jetzt dein Sohn.” Und er sagte zu dem Jünger: „Sieh: Sie ist jetzt deine Mutter.” Von dieser Stunde an nahm der Jünger sie bei sich auf.“ (Joh 19,25ff.)

Jesu Mutter und der Jünger, der für Jesus etwas Besonderes war. Sie gehören jetzt zusammen. Sie sind verbunden durch die gemeinsame Trauer um einen geliebten Menschen. Aus der gemeinsamen Trauer wächst eine neue Bindung. Ja, der Tod schweißt auch zusammen. Wer trauert, braucht Menschen um sich, mit denen man gemeinsam trauern kann. Mit denen man sich erinnern, mit denen man schweigen und bei denen man weinen kann. Die keine tröstenden Floskeln oder frommen Sprüche parat haben, sondern da sind und die vielen unterschiedlichen und manchmal so verwirrenden Gefühle aushalten, die Trauer mit sich bringt. Menschen, die auch nach Monaten noch bereit sind zuzuhören. Denen man die Erinnerungen erzählen kann, die immer wieder plötzlich da sind. Die guten und die schwierigen. Wer trauert braucht Menschen um sich, denen man vertrauen kann, die sich nicht zurückziehen, sondern verbunden bleiben und einen begleiten.

Vielleicht können Sie jemandem in nächster Zeit so eine Begleitung sein. Vielleicht trauern Sie gerade selbst. Ich wünsche Ihnen Kraft dazu. Und Menschen, denen Sie vertrauen und die mit Ihnen verbunden sind. Menschen, mit denen Sie irgendwann, langsam und mit viel Zeit, die ersten zaghaften Schritte zurück ins Leben gehen können. Das ja weiter geht. Wenn auch nicht gleich. Und sicher ganz anders als zuvor.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33305
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