Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

06JUN2021
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Alle machen Urlaub, nur ich nicht. Ich sehe schöne Fotos aus Verona, eine Freundin kündigt ihren Segeltörn in der Ägäis an. Mein Bruder schickt ein Video mit seinen Jungs vom Campingplatz. Ich würde auch so gerne verreisen, doch mein Mann hat keine Zeit. Und während ich noch so vor mich hin grummele, sehe ich in der Zeitung einen Bericht zur „Herzenswunsch-Aktion“ der Malteser. Auf dem Foto sind drei lachende Gesichter. Und ich lese: Ein paar Ehrenamtliche sind mit einem Krebskranken und dessen Ehefrau in einem Krankenwagen an die Ostsee gefahren. Der 68-Jährige wollte noch einmal barfuß den Sand spüren, bevor er stirbt. Das hat mich berührt und ins Nachdenken gebracht. Warum vergleiche ich mich automatisch mit denen, die es gerade schöner haben als ich? Warum nicht mit denen, die vielleicht gerade lieber an meiner Stelle wären? Warum bin ich oft so unzufrieden, obwohl es mir doch gut geht? Ich wurde richtig unzufrieden mit meiner Unzufriedenheit: So will ich doch nicht sein! Ich will nicht missmutig und auch nicht neidisch sein.

All diese Gefühle habe ich dann mitgenommen in meine Gebetszeit. Ich habe Gott gesagt, was mir durch den Kopf geht: dass ich so gerne auch mal eine Pause hätte, um wegzufahren; dass ich mich selbst nicht leiden kann, wenn ich so jammere; dass ich doch eigentlich Leute schlimm finde, die anderen nichts gönnen und dass ich da nicht dazugehören will. Ich habe Gott gebeten: „Bitte schenke mir, dass ich mich von Herzen mit den anderen mitfreuen kann.“ Und, ja, beim Beten hat sich etwas in mir verändert. Ich habe entdeckt, wie beschenkt ich bin, auch ohne Urlaub. Mir geht es unglaublich gut. Ich habe alles, was ich brauche und noch mehr.

In der Bibel steht: „Seid dankbar in allen Dingen.“ Ich weiß nicht, ob ich das kann: immer und in allen Dingen dankbar sein. Doch für mein aktuelles Leben bin ich dankbar und mir sind auf Anhieb Dutzende von Gründen dafür eingefallen.

Was mir an Gott so gut gefällt, ist, dass ich bei ihm einfach rauslassen kann, wie ich mich fühle. Da brauche ich kein Lächeln aufzusetzen, ich muss meine Gedanken nicht zensieren oder so tun, als wäre alles super. Nein, ich kann ehrlich sagen, wie es mir geht. Und wenn ich mich das dann so sagen höre, sortieren sich die Gefühle, und mir kommen neue Ideen. Zum Beispiel die: Ich mache einfach einen Kurzurlaub mit meinem Jüngsten: Eine Übernachtung in einer Stadt, in die ich eh schon lang mal fahren wollte. Ich freue mich schon drauf.

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