Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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04JUN2021
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„Schenke mir ein hörendes Herz“ (1 Kön 3,9), man glaubt es kaum, ein Politiker hat das gesagt. Ist schon ein bisschen her, der Satz steht nämlich in der Bibel. Und der Politiker war der König Salomo. Normalerweise kommen in der Bibel die Könige Israels nicht gut weg. Häufig werden sie mehr kritisiert als gelobt. Eine Ausnahme bildet Salomo. Zu Gott hat er ein gutes Verhältnis, deshalb gewährt ihm Gott am Anfang seiner Regentschaft auch einen Wunsch. Und Salomo, der sich eigentlich zu jung und unerfahren für seine Aufgabe fühlt, bittet Gott, ihm ein „hörendes Herz“ zu schenken. Nicht Macht, nicht Reichtum, nicht Kriegsglück, sondern ein hörendes Herz wünscht er sich für seine Regentschaft.

Das Herz ist im Judentum der Sitz von Verstand und Wille, nicht von Gemüt und Gefühl wie bei uns. Salomo bittet Gott also: Schenke mir die Kraft, meinen ganzen Willen und meinen Verstand dafür einzusetzen, Dir und dem andern gut zuzuhören. Zuhören können und versuchen den andern - gerade auch den politischen Gegner - zu verstehen, ist eine wichtige Tugend in der Politik.

In einigen Monaten ist Bundestagswahl. Die Kanzlerkandidaten stehen fest und die Parteien haben auch ihre Leute für das Parlament aufgestellt. In den politischen Talkshows im Fernsehen hat der Vorwahlkampf schon begonnen. Frauen und Männer treten dort gegeneinander an und kämpfen manchmal recht laut und rechthaberisch um meine Stimme. Ich will mal darauf achten, wer von Ihnen am besten zuhören kann und sich redlich bemüht, den politischen Gegner zu verstehen. Denn die Zeit des Salomo, des Königs mit dem hörenden Herzen, zählt zu den glücklichsten Epochen in der Geschichte Israels.

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