SWR3 Gedanken

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12JUN2021
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Online-Konferenz im Freundeskreis. Wir treffen uns alle paar Wochen zum Quatschen. Ich bin die letzte, die sich reinklickt und ich freu mich, als ich all die Gesichter sehe. Kurzes Winken, „Hallo!“, Lächeln. Dann sehe ich Conny. An ihrem Bild bleibe ich hängen und kann gar nicht mehr wegsehen. Denn Conny hat keine Haare mehr. Ihre tollen roten Locken – alle weg. Stattdessen trägt sie eine Mütze.

„Conny!“, denke ich. „Was ist mit dir?“ Aber ich kann nicht fragen. Die anderen sind mitten in einer Diskussion. Sie reden über irgendwas. Ein Freund spricht mich an, was ich dazu denke und sofort platzt es aus mir heraus: „Was redet ihr da? Ich mache mir Sorgen um Conny. Conny, ich sehe dich jetzt so – ohne Haare. Was ist los?“

Kaum habe ich das gesagt, zweifle ich. Vielleicht will sie ja nicht drüber reden, und ich habe das so rausgehauen. Aber sie lächelt und erzählt von ihrer kurzfristigen Operation am Kopf. Zum Glück hat der Krebs noch nicht voll zugeschlagen. Sie kann sogar schon wieder nach vorne schauen.

Als Conny fertig ist, sagen auch die anderen in der Runde was. Hedi sagt, dass sie geschockt ist und traurig. Und Dirk sagt: „Ich habe es zwar gesehen, aber ich hätte dich nie gefragt. Das muss von dir kommen.“

Lange nach unserem Treffen überlege ich noch, ob ich „richtig“ reagiert habe.

Vielleicht gibt es da gar kein „richtig“ oder „falsch“, und jeder reagiert anders. Ich will niemanden überrumpeln, nur weil ich mir Sorgen mache oder gar neugierig bin. Aber ehrlich und rücksichtsvoll nachfragen, wenn ich den Menschen gut kenne, das traue ich mich. Und gleichzeitig vertraue ich darauf, dass Menschen wie Conny schon wissen, was ihnen gut tut.

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