SWR1 3vor8

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30MAI2021
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Es ist ein schmaler, ein ganz schmaler Grat, den Moses da beschreitet. Entweder seine Leute werden sich überzeugen lassen. Oder alles ist umsonst gewesen. Auf dem Weg vom ägyptischen Berg Horeb ins gelobte Land Kanaan sind die Israeliten müde geworden. Jetzt aufgeben, so kurz vor der Heimat? Da wendet sich Moses in einer prophetischen Rede an sein Volk. Er sagt: Forsche einmal in früheren Zeiten nach[1]. Mose beschwört die Erinnerung. Auch wenn es auf dem langen Weg keine großen Ereignisse gibt, keine neuen Gotteserfahrungen. Auch wenn sich alles eingespielt hat. Und das Vertrauen auf Gott nicht mehr die Hauptsache ist. Früher, da war doch was. Moses ermahnt sie nicht zu vergessen: Dass JHWH, ihr Gott, die Welt erschaffen hat und es ein Wunder ist, dass sie überhaupt existieren. Und vor allem: Dass er sein Volk immer wieder gerettet hat, wenn es übel dran war.  Eben die Tatsache, wie Gott in der Geschichte sich zeigt, daran erinnert Moses. Er führt die Israeliten nun schon geraume Zeit an. Da gab es Höhen und Tiefen. Und im Laufe der Zeit hat sich - wie das eben so ist - eine gewisse Normalität eingestellt. Viel Begeisterung ist da nicht mehr. Die Israeliten sind müde geworden und mit ihnen ihr Glaube.

Ja, das hört sich an, als ob man die aktuelle Lage der deutschen katholischen Kirche charakterisieren wollte. Müde, ausgelaugt, enttäuscht. Aber wovon enttäuscht? Von Gott? Doch eher von der eigenen Trägheit, die immer zum Gleichen führt. Menschen richten sich in ihrer kleinen Welt ein. Alles, was sich verändert, begreifen sie als Bedrohung. Es soll so bleiben, wie es ist. Ob das immer gut ist, diese Frage wird verdrängt, weil es die eigene Ordnung durcheinanderbringt, in der man sich bequem eingerichtet hat. Wohin das in der Kirche führt, ist nicht zu übersehen. Es wird viel verwaltet, statt zu begeistern. Die Sorge um die eigenen Pfründe ist größer als die Sorge um die Not der Menschen. Es wird nach innen gesichert, anstatt sich nach außen zu öffnen. Abgrenzung statt Einladung. So erlebe ich selbst meine Kirche ganz oft. Und das tut mir weh.

Moses sagt: Heute sollst du erkennen und zuinnerst begreifen: Der Herr ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst[2]. Dass muss meine Kirche und alle, die zu ihr gehören, begreifen - tief im Inneren: dass eben nur einer alles in der Hand hat. Nur so wird sie auf Dauer Bestand haben, im Auf und Ab, das die Geschichte bestimmt.

 

[1] Dtn 4,32a

[2] Dtn 4,39

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33262
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