SWR2 Wort zum Tag

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31MAI2021
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Haben Sie ein Lieblingswort?
Vielleicht Geborgenheit, Habseligkeiten, Rhabarbermarmelade, oder Doppelhaushälfte? Alle diese Wörter waren schon einmal Lieblingswörter. Wörter, die Menschen anrühren, auf der Zunge zergehen oder einen Witz erzählen. Der deutsche Sprachrat hat vor ein paar Jahren einen Wettbewerb ausgeschrieben. Gesucht wurde das schönste deutsche Wort. Über 20 000 Vorschläge sind damals eingegangen. Und es hat übrigens nicht ausgereicht, einfach ein Wort in den Ring zu werfen, man musste auch erklären, warum man es liebt.

Wenn es diesen Wettbewerb in diesem Jahr gäbe, würde ich das Wort Zuversicht einreichen. In den langen Wochen und Monaten der Pandemie hat es für mich an Bedeutung und an Glanz gewonnen. Als Wunsch habe ich es unter viele Briefe geschrieben: „Bleiben Sie zuversichtlich!“ Eine Freundin, die ich gebeten habe, mir einen solchen Brief ins Italienische zu übersetzen, schrieb darunter: Bleibt optimistisch!“ Aber ganz zufrieden war ich mit dieser Übersetzung nicht. Optimismus und Zuversicht gehen vielleicht manchmal Hand in Hand, aber identisch sind sie nicht. Den Unterschied würde ich so beschreiben: Ein Optimist sieht in allen Dingen die schönen, guten hellen Seiten. Die hässlichen, schlechten und dunklen blendet er einfach aus. Ein zuversichtlicher Mensch nimmt dagegen beide Seiten gleichermaßen in Blick. Die Journalistin Susanne Mayer hat es für mich treffend auf den Punkt gebracht: „Anders als ihr prolliger Vetter, der Optimismus, der mit fetten Fingern in die Zukunft weist, hat die Zuversicht schmerzliche Kenntnis von der großen Zahl ihrer Widersacher.“

Diese Beschreibung gefällt mir, und so erlebe ich es auch in diesen Pandemiezeiten: Eine alte Frau bewahrt sich ihren Lebensmut, auch wenn die äußeren Bedingungen immer noch unerfreulich sind. Ein Musiker behält Vertrauen ins Leben, obwohl die Quellen langsam erschöpft sind, aus denen er üblicherweise seine Energie und seinen Verdienst zieht. Und der Mann von der kleinen Bar um die Ecke hat ganz bestimmt einen klaren Blick für den Ernst der Lage, aber er verzweifelt nicht und macht sogar noch andern Mut.

In der Bibel wird auch der christliche Glaube als eine feste Zuversicht beschrieben. Zuversicht auf das, was ein Mensch hofft. Trotz der großen Zahl aller Widersacher. Was für ein schönes Wort und was für eine wunderbare Haltung! Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie heute zuversichtlich bleiben!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33259
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