SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

01JUN2021
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Das ist meine Karotte! Jeden Morgen ist es bei uns im Kaninchenstall dasselbe. Ich bringe das Futter für die Kaninchen – aber anstatt zu fressen, fängt der Hasenchef erstmal an alle anderen zu verjagen. Erst langsam merken sie dann, dass das Futter ja eigentlich für alle reicht und fangen an zu mümmeln. Natürlich ist der Futterneid bei Tieren ganz ausgeprägt. Und man kann es ihnen halt einfach nur schwer erklären, dass es für alle reicht. Aber ich glaube manchmal, dass wir Menschen gar nicht so anders gestrickt sind.

Einmal hat Jesus in der Bibel eine Geschichte  erzählt, wo ein Mann Leute sucht, die für ihn in seinem Weinberg arbeiten sollten. Gleich morgens hat er die ersten angeheuert. Mittags und sogar nachmittags dann nochmal, weil er gemerkt hat, dass es einfach wahnsinnig viel zu tun gibt. Abends hat er die Leute dann bezahlt. Und es haben alle genau gleich viel bekommen – dabei haben die ersten ja bestimmt doppelt so lange gearbeitet, wie die letzten. Hui ich kann mir richtig gut vorstellen, wie sie geschimpft und gepoltert haben, dass es so doch nicht geht. Und dass das ja wohl nicht gerecht sein kann.

Und es stimmt ja auch. Das ist ungerecht – zumindest für unser Verständnis. Hat für mich aber auch ein bisschen was mit Futterneid zu tun.

Ich glaube, dass Jesus den Leuten damals die Geschichte aus zwei Gründen erzählt hat. Zum einen, um ihnen zu zeigen, dass für Gott ganz andere Dinge wichtig sind. Eine andere Art von Gerechtigkeit. Denn – und das ist der zweite Grund – das, was da alle bekommen haben, reicht für alle mehr als aus.

Für mich heißt das: Wenn ich nur auf das schaue, was jemand anderes hat, dann entsteht daraus Neid. Wenn ich es aber schaffe das zu sehen, was ich habe, dann kann ich mich im besten Fall darüber freuen, dass es mir zum Leben reicht.

Leider funktioniert unsere Gesellschaft so nicht. Und trotzdem nehme ich mir das immer wieder vor, mehr auf das zu achten, was ich habe. Statt darauf zu schauen, was die anderen haben. Zumindest denke ich immer wieder daran. Vor allem, wenn ich morgens eine Handvoll Karotten in den Kaninchenstall lege, damit es auch wirklich für alle reicht.

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