SWR4 Abendgedanken

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10JUN2021
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Manchmal ist es nicht nur gut, sondern der einzige Ausweg: eine Sache auf den Kopf zu stellen. Sie ins Lächerliche zu ziehen, und nebenbei dem Schrecklichen etwas Positives abzugewinnen. So ein Humor hilft, das Unerträgliche einigermaßen auszuhalten. Das gilt auch für die Corona-Pandemie. Ich habe mir dazu einen Gedanken zurechtgelegt, der mir hilft. Ich stelle mir vor, wie wir sagen werden: „War das schön, als Corona war …“

Die Corona-Pandemie ist nicht zum Lachen. Alle Folgen, die sie nach sich zieht, sind schlimm. Menschen sterben. Die ärmeren Länder trifft es viel schlimmer als uns. Betriebe müssen schließen und Geschäftsinhaber verlieren ihre Existenzgrundlage. Weil wir uneins über die richtigen Maßnahmen sind, spaltet das unsere Gesellschaft. Die Spätfolgen der Pandemie können wir noch längst nicht absehen. Lustig ist daran gar nichts. Aber um nicht unter der Last zusammenzubrechen, um dem Schrecken etwas entgegenzusetzen, muss ich mich im Inneren stark machen. Ich muss spüren, dass ich mich durch das Negative nicht völlig unterkriegen lasse. Deshalb habe ich mir ausgemalt, dass es nach dem ganzen Spuk auch Situationen geben wird, in denen ich mir im Stillen denke: „Wenn doch bloß wieder Corona wär‘!“ Weil die augenblickliche Lage auch für manches gut ist. Es gibt sozusagen hilfreiche Begleiterscheinungen.

Weil wir Abstand halten müssen, achten wir besser darauf, anderen genug Raum zu lassen - im Zug, an der Haltestelle, im Supermarkt. Ich werde viel seltener von jemandem bedrängt, der es furchtbar wichtig hat. Das könnten wir ruhig beibehalten.

Ähnliches gilt für Besprechungen im Beruf. Weil es nicht möglich ist, sich mit vielen Leuten zu treffen, überlegen wir genauer, was wirklich nötig ist. Natürlich muss ich meine Kolleginnen sehen. Es ist etwas anderes, gemeinsam in einem Raum zu sein, und so die Person des anderen zu spüren. Danach sehne ich mich ganz oft. Aber dauernd muss es nicht sein. Es ist gut, zweimal zu überlegen, was es braucht und mit wem. Das entlastet den Verkehr, hilft dem Klima und verringert den Aufwand. Auch nach Corona.

Ich habe in den letzten Monaten gelernt, mich an ein großes Problem anzupassen, mich zu arrangieren. Das ging. Nicht zuletzt, weil ich gemerkt habe, wie gut es uns alles in allem in Deutschland geht. Im Vergleich mit vielen Ländern sind wir privilegiert. Das hat mich oft mit Dankbarkeit erfüllt. Weil ich es nicht so selbstverständlich wie früher hingenommen habe.

Daran zu denken, dass ich das und vermutlich noch viel mehr später einmal mit Corona in Verbindung bringe, macht mir Mut - und es lässt mich wenigstens ein bisschen schmunzeln.

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