SWR2 Zum Feiertag

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24MAI2021
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Schwester Philippa Rath copyright Foto: Christopher Hoffmann

Schwester Philippa Rath, Sie sind seit über 30 Jahren Benediktinerin in der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim - Eibingen, Sie haben Theologie studiert, außerdem auch Geschichte und Politikwissenschaften. Und sie haben ein Zusatzstudium in Logotherapie und in Existenzanalyse. Um die Existenz, ums Eingemachte, da  geht es ja auch heute am Pfingstfest. In der Apostelgeschichte wird ja beschrieben, dass der Heilige Geist an Pfingsten auf alle herabkam, die zu Jesus gehörten. Der Heilige Geist als die Kraft mit der Gott in dieser Welt wirken will. Und es entsteht eine große Dynamik, deshalb gilt Pfingsten ja auch als der Geburtstag der Kirche. Sie haben in einem Interview kürzlich gesagt: „Ich liebe meine Kirche und ich leide an ihr“.* Was lieben Sie an ihrer Kirche?

Die katholische Kirche ist meine Heimat. Das finde ich ganz wichtig. Ich liebe die Heilige Schrift, die Botschaft der Bibel, das Zeugnis und das Vorbild Jesu. Ich liebe auch die Liturgie von Kindheit an, bin gerne immer in die Kirche gegangen, das sich Hinwenden zu Gott und leben aus Gottes Liebe und im Vertrauen auf Gottes Beistand.    

Und warum leiden Sie dann auch an der Kirche?

Die Kirche ist ja eine Institution, die immer neu – denke ich – die Botschaft in der jeweiligen Zeit in der wir leben verkünden muss. Ich glaube die Frauenfrage ist eine existentiell wichtige Frage für die Zukunft der Kirche. Mehr als die Hälfte aller Katholiken sind Frauen. Und sie leiden daran, dass sie überall an Grenzen stoßen, dass sie keinen Zugang zu den Weiheämtern in der Kirche haben und damit auch nicht zu den Leitungsämtern, also nicht gestalten, mitgestalten können, mit die Verantwortung tragen. Und ich denke wir leben in einer Zeit, in der es selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und genau dieses würde ich mir für unsere Kirche auch wünschen.

Viele Menschen treten aktuell aus der Kirche aus – andere bleiben in der Kirche und kämpfen für Veränderungen, wie Sie es ja auch tun, im so genannten „Synodalen Weg“, der sich in der katholischen Kirche aufgemacht hat, um Reformen und Veränderungen zu thematisieren, die jetzt anstehen. Sie sind Teilnehmerin am Synodalen Weg und zwar im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“.  Und in diesem Forum geht es um Geschlechtergerechtigkeit– welche Rolle spielt da für Sie die Kraft des Heiligen Geistes?

Ich bin überzeugt, dass Jesus sehr viele Frauen in seine Nachfolge berufen hat, wenn auch der Apostelkreis selber zwölf Männer waren. Aber das begründet sich meines Erachtens mit der damaligen zeitgeschichtlichen Situation, weil Apostelamt war Zeugenschaft für Leben, Tod  und Auferstehung Jesu und die Frauen hatten in der damaligen Zeit nicht das Recht auf Zeugenschaft. Also mir ist es wichtig auf die Heilige Schrift zu schauen, auf die vielen Frauen, die berufen wurden, auch auf den Umgang Jesu mit den Frauen. Wir benutzen heute das Wort oft und gerne „Auf Augenhöhe“ miteinander sprechen und umgehen – das hat Jesus vorgelebt!  Es gibt viele wunderschöne biblische Erzählungen, wo Frauen  im Gespräch mit Jesus sind und er sie hoch wertschätzt und achtetund das ist meines Erachtens einfach im Laufe der Kirchengeschichte zu kurz gekommen und da müssen wir uns neu auf die Ursprünge besinnen.

Also der Heilige Geist auch als eine Kraft, die Menschen befähigt für Gerechtigkeit einzutreten, in dem Fall für Geschlechtergerechtigkeit?

Ja, als eine Kraft – oder als die entscheidende Kraft, die mich antreibt. Wir müssen auch offen sein für das Wirken des Geistes, der oft ganz anders wirkt und weht, als wir uns das vorstellen, also wir dürfen ihn nicht in bestimmte Positionen vereinnahmen,  sondern  - das ist das Entscheidende glaub ich - der Heilige Geist befähigt uns offen zu sein für das Wirken Gottes.

Kommen wir zu ihrem Buch: Sie hatten ja eigentlich nie vor ein Buch zu schreiben, sondern wollten für den Synodalen Weg Lebenszeugnisse von Frauen sammeln, die sich zur Priesterin oder zur Diakonin berufen fühlen. Ihr Buch heißt interessanterweise „Weil Gott es so will“**...

... genau, letztes Jahr Pfingsten hatte ich 150 Texte von Frauen in meinem Computer. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, das war für mich auch ein Pfingstwunder, ein Wirken des Heiligen Geistes, dass so viele Frauen sich gemeldet haben auf meinen Aufruf hin. Meine ursprüngliche Idee war einige Texte zu sammeln – Lebenszeugnisse von Frauen, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen. Um diese dann wiederum mitzunehmen in die Beratungen des  Frauenforums im Rahmen des Synodalen Wegs, denn ich habe dort erfahren, dass einige Amtsträger sich gar nicht vorstellen können, dass es überhaupt Frauen gibt, die sich zu diesen geistlichen Ämtern berufen wissen. Ich konnte natürlich nicht 150 Texte mitnehmen in den Synodalen Weg und so blieb eigentlich nur die Variante – wenn ich allen Frauen gerecht werden wollte – ein Buch daraus zu machen. Und so ist das Buch entstanden. Ich habe Unmengen an Reaktionen bekommen von ganz normalen Christen, aber auch von Priestern, auch sogar von Bischöfen, die sich bedankt haben für dieses Buch und die mir bestätigen, dass ihr Denken sich zumindest teilweise geändert hat. Sie sind ins Nachdenken gekommen und das freut mich natürlich ungemein,  das war ja auch meine Absicht: Bewusstseinsveränderung herbeizuführen. Das erste Ziel war die Frauen aus der Anonymität zu holen und dass sie also überhaupt darüber sprechen können. Aber das zweite, dass wir einsehen, welches Potential, welche Ressourcen, welche Charismen, welche Begabungen die Kirche links liegen lässt, indem sie die Frauen nicht gleichberechtigt beteiligt. Das heißt die Kirche, davon bin ich fest überzeugt, unsere Kirche schadet sich selbst, indem sie die Frauen nicht zu den Weiheämtern zulässt.  Ich kenne so viele Krankenhausseelsorgerinnen, die eine wunderbare Arbeit machen und am Ende die Krankensalbung nicht spenden dürfen – nur ein Beispiel von vielen.

Pfingsten ist ja auch das Fest, an dem wir feiern, dass Gottes Geist weht wo er will – deswegen würde mich interessieren: Wenn Sie in die Welt schauen, Schwester Philippa – wo sehen Sie da auch innerhalb und außerhalb der Kirche Spuren von Gottes Geist?   

Es gibt so unendlich viele Menschen auf allen Kontinenten, die sich engagieren zum Beispiel für die Menschenwürde. Die sich engagieren für die Schöpfung - „Fridays for future“. Auch jetzt in der Pandemie:es gibt auch unendlich viele Menschen, die sich für ihre Mitmenschen  eingesetzt haben und das jetzt über doch schon eine ziemlich lange Zeit. Die auch bereit waren auf Vieles zu verzichten, um die Gesundheit der anderen zu schützen.  Also ich brauche nicht weit zu schauen, ich sehe überall Gottes Geist am Werk.  

Was sind für Sie Themen wo sich Christinnen und Christen auch heute einbringen sollten in unserer Gesellschaft?

Das ist das große Feld des Themas Menschenwürde. Es ist für mich zum Beispiel eine ganz wichtige Frage: Wie gehe ich mit den alten Menschen um. Der Umgang mit Schwäche überhaupt, mit schwachen Menschen. Ich selber habe lange Jahre eine demenzkranke Mitschwester versorgt und betreut und habe da bemerkt wie auch schwerkranke Menschen, die in der Regel eher ausgegrenzt werden, mir persönlich sehr viel bedeuten können und mir auch viel geben können.

Zum Schluss Schwester Philippa: Sie haben ja auch Logotherapie studiert, also eine Form sinnorientierter Psychotherapie. Da geht es um Sinnfindung und deshalb die Frage an Sie: Was ist für Sie der Sinn des Lebens?

Ich bin überzeugt es gibt nicht den Sinn des Lebens, sondern diese Frage kann nur jede Person ganz individuell für sich beantworten. Und wenn ich Menschen begleite, dann versuche ich ihnen zu helfen ihrem eigenen Leben auf die Spur zu kommen und darin Sinnspuren zu entdecken. Auch übrigens in schwierigen Lebenssituationen. Das ist meine Erfahrung, gerade in den Krisen und Grenzsituationen habe ich sehr viel Sinn erfahren. Und ich bin ja der Überzeugung, dass wir am Ende unseres Lebens, wenn wir Gott gegenübertreten einen wunderbaren Überblick über unser Leben gewinnen und dann auch den eigentlichen Sinnfaden entdecken. Und auch wenn ich in manchen Situationen keinen Sinn sehe – oft ist es mir persönlich so gegangen, dass ich im Rückblick sehr genau erkannt habe: Das war der Sinn dieser oder jener Begebenheit, dieser Erfahrung, dieser Begegnung. Also Sinn muss sich ausbuchstabieren.

Vielen vielen Dank für das sehr interessante Gespräch, Schwester Philippa.

Gern geschehen, danke Ihnen für Ihr Interesse.

 

*vgl . https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=33032

 **Philippa Rath (Hg.): „Weil Gott es so will“. Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin. Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2021.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33215
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