SWR2 Wort zum Tag

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29MAI2021
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Wenn ich als Kind aus dem Auto meiner Eltern ausgestiegen bin, hat mein Vater oder meine Mutter immer gefragt: „Hast Du das Knöpfle gedrückt“? Damit haben sie gemeint, ob ich die Tür auch verriegelt habe.  Damals gab’s noch keine Zentralverriegelung. Das „Knöpfledrücken“ ist für mich in meiner Kindheit eine wichtige Tätigkeit und auch eine bedeutsame Redewendung gewesen. Etwas später, in meiner Jugend, ist für mich Musik wichtig geworden. Und wenn jemand eine Kassette gehabt hat, die ich auch haben wollte, habe ich gefragt, ob sie oder er sie mir „überspulen“ kann.  Also die Lieder von der originalen Kassette auf eine Leerkassette übertragen. „Überspulen“ - So spricht heute keiner mehr.

Das sind nur zwei Beispiele. Es gibt noch viel mehr Worte und Redewendungen, die nicht mehr vorkommen. Die ihre Bedeutung verloren haben. Die Tätigkeiten oder Dinge beschreiben, die es einfach nicht mehr gibt.

Natürlich gibt es auch Begriffe, die zurecht nicht mehr benutzt werden. Bei denen es besser ist, dass sie vergessen sind. Ich nenne sie jetzt nicht, dann bleiben sie vergessen.

Heute gehen wir selbstverständlich mit Worten um, von denen ich mir vor gar nicht allzu langer Zeit nicht habe vorstellen können, dass sie wichtig für mich werden. Überall spricht man von Inzidenzzahlen. Von Homeschooling. Von Lockerungen und Maßnahmen. Von Verimpfung.

Zugegeben, ich bin es müde, das eine oder andere davon zu hören. Aber es hilft nichts. Jede Zeit hat ihre Wörter. Hoffen wir, dass bald eine Zeit kommt, die uns wieder neue, aber bessere Wörter bringen wird.

Und vielleicht erfahren dann auch ein paar Begriffe und Sätze eine Renaissance. Ich fände es gut, wenn bald der Satz: „Lass dich umarmen“, in aller Munde ist. Oder der: „ich komm kurz vorbei“. Oder: „Sag allen Bescheid, wir treffen uns im Biergarten“...

Noch besser wäre, wenn man sagen könnte: „Die Zahl der weltweit Hungernden ist auf 0 zurückgegangen.“ Oder: „Der letzte Krieg wurde gestern beendet“. Oder: „wir haben aus unseren Fehlern gelernt“.

Wenn dann noch ein paar zeitlose Sätze wie: „Kann ich dir helfen“, „Ich bin für Dich da“ oder „Ich liebe dich“ dazukommen, dann geht es unweigerlich wieder bergauf.

Welche Worte auch immer ihnen wichtig sind. Dass sie sie heute und allezeit oft hören wünscht Ihnen von Herzen

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