SWR2 Wort zum Tag

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21MAI2021
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Zweimal hat der Bildschirm geflackert, dann sahen wir unsere koreanischen Freunde direkt vor uns: acht Kacheln, achtmal freundliches Lächeln, achtmal winkende Hände in die Kamera: „Hello – how are you? Wie kommt Ihr so durch die Corona-Pandemie, ihr als Kirchengemeinden in Südkorea?“  

Die virtuelle Begegnung unserer Partnergemeinde in Südkorea vor ein paar Monaten war nicht nur herzerwärmend, sondern sie hat mir auch eine neue Perspektive auf Corona gebracht, die mich bis heute zum Nachdenken anregt.

„Corona ist furchtbar“, sagte Pfarrer Kim, „aber der Lockdown ist für unsere Gemeinden nicht so schlimm. Denn hier in Südkorea sind wir es gewohnt, immerzu das Smartphone zu benutzen. Unser Seniorenkreis trifft sich, jeder winkt in die Kamera, und wenn sich jemand mal nicht reinschaltet, dann rufen die anderen gleich an. Neulich hatte die Leiterin des Seniorenkreises den Akku von ihrem Smartphone nicht aufgeladen, und als das Treffen deshalb verspätet begann, war die Aufregung groß! Naja, jenseits der neunzig wird man halt manchmal vergesslich“ –

„Und wie versteht ihr das Corona-Virus selbst?“, frage ich, „Wie geht ihr damit um, in Eurem Leben und Glauben? Ich habe manchmal den Eindruck, dass das Leben erst dann wieder losgehen wird, wenn wir das Virus erfolgreich bekämpft haben. Wenn wir es ganz und gar ausgerottet haben. Jetzt, in der Zwischenzeit, ist es manchmal so, als ob das Leben gar keinen Wert hat. Alle warten nur darauf, dass das Virus wieder weg ist.“
„Oh, Ihr Westler!“, lächelt da mein koreanischer Freund Kim, „Ihr denkt viel zu radikal. Schau mal, wir werden das Virus nicht losbekommen. Jeder Körper von uns hat viele Millionen Viren in sich! Wir können die Viren nicht vernichten. Wir können sie durch Impfen aber eindämmen. Und wir können nach Harmonie streben. Denn im Moment besteht Disharmonie zwischen den Viren und uns.“ Und Kim fährt fort: „Daher sollten wir nach Ausgleich streben, nach Balance – so, dass wir halbwegs in Harmonie leben können, trotz der Pandemie. Und um das zu erreichen, sollten wir jeden Tag bewusst und ausgeglichen leben und nicht unser ganzes Leben von diesem Virus dominieren lassen.“

Ich denke mir: Am Sonntag ist Pfingsten. Wie schön, dass es weltweit Kirchen gibt! Wie schön, dass sie nur einen-Klick von mir entfernt sind. Und wie schön, dass ich von ihnen eine neue Sicht auf Corona lerne! Und so versuche ich, in den nächsten Tagen mal eine Stunde lang nicht an Corona zu denken. Sondern an die Freunde, die ich habe. An die Sonne, die scheint. Und an alles, was mein Leben heute wertvoll macht, mitten in der Pandemie. Was macht das Leben für Sie heute wertvoll?

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